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Leseprobe 2 DOI: 10.14623/wua.2019.2.65-70
Manuela Kalsky
Flexible Gläubige und ihre rhizomatischen Identitäten
In den säkularisierten Ländern Europas gibt es viele „spirituelle Pilger“, wie der kanadische Philosoph Charles Taylor in seinem Magnum Opus Ein säkulares Zeitalter zu Recht bemerkt und beschreibt. Sie haben den traditionellen christlichen Institutionen den Rücken gekehrt und sich auf die Suche nach einer Spiritualität ohne hierarchische Gemeinschaftsformen und religiös-dogmatische Wahrheitsansprüche gemacht. Religion ist im Zuge der Modernisierung nicht verschwunden, wie die Vertreter der Säkularisierungstheorie prophezeiten, sondern sie erscheint in neuen Ausdrucksformen. So schöpft eine nicht geringe Anzahl dieser spirituellen Pilger aus unterschiedlichen religiösen Traditionen als Quelle spiritueller Inspiration und transreligiöser Lebensweisen. Auf diese ‚flexiblen Gläubigen‘ gehe ich am Beispiel der Niederlande nun im Folgenden näher ein.

Superdiversität

Im Jahr 2011 bekam Amsterdam offiziell das Prädikat ‚majority-minority city‘. Wie New York, Toronto und viele andere große Städte dieser Welt ist Amsterdam superdivers. Superdivers bedeutet, dass es in der Stadt keine ethnische Gruppe mehr gibt, die die Mehrheit bildet. 49 Prozent der Einwohner Amsterdams sind alteingesessene Niederländer*innen und 51 Prozent haben einen Migrationshintergrund. Nur noch ein Drittel der jugendlichen Amsterdamer unter 15 Jahren ist von alteingesessener niederländischer Herkunft. Unweigerlich stellt sich die Frage, was hier die Forderung nach ‚Integration‘ bedeutet. Wo hinein soll man integrieren? Kulturelle und religiöse Vielfalt ist in der Hauptstadt der Niederlande, in der Menschen aus 180 verschiedenen Nationen zusammenleben, Alltagsrealität.

Eine der brennenden Fragen ist, wie inmitten dieser Vielfalt sozialer Zusammenhalt entstehen kann, um Konflikte zu vermeiden. Aber nicht nur Streitigkeiten zwischen ethnischen und religiösen oder nichtreligiösen Überzeugungen gehören zum Alltag der Superdiversität. Auch Liebesbeziehungen und Mischehen kommen daraus hervor. Die Kinder aus bikulturellen und/oder mehrreligiösen Familien wachsen oftmals mit beiden Kulturen und Glaubenstraditionen ihrer Eltern auf und entwickeln so hybride Identitäten.

Laut Statistik hat ein Drittel der Bevölkerung aller größeren Städte in Europa einen Migrationshintergrund. So tritt Europa mit zunehmender Globalisierung und Migration in eine neue Ära der Vielfalt ein, die einen Paradigmenwechsel vom Denken in Einheit und Reinheit hin zu einem Denken in Vielfalt und Vermengung fordert. Nicht nur das interkulturelle und interreligiöse Gespräch wird unumgänglich, will man das friedvolle Zusammenleben von Menschen mit unterschiedlichen Glaubensüberzeugungen und Weltanschauungen gewährleisten, auch ein auf Abgrenzung und Ausschluss basierendes Identitätskonzept benötigt dringend eine Revision.

Religiöse Flexibilität

Am theologischen Forschungszentrum der niederländischen Dominikaner, das den Auftrag hat, aktuelle gesellschaftliche Entwicklungen theologisch zu reflektieren, fand von 2013 bis 2017 ein Forschungsprogramm zu Multiple Religious Belonging statt. Gemeinsam mit der Theologischen Fakultät an der Vrije Universiteit Amsterdam und dem dortigen Edward Schillebeeckx-Lehrstuhl für Theologie und Gesellschaft wurde eine landesweite Studie erstellt, um das Phänomen der mehrfachen religiösen Bindung in den Niederlanden zu untersuchen.

Eine Frucht dieser Forschung ist in dem Buch Flexibel geloven (Flexibel glauben) zu finden. Darin kommen Menschen zu Wort, die für ihre religiöse Sinngebung aus mehreren religiösen Traditionen schöpfen. Sie sind dual belongers, wie beispielsweise Diana Vernooij, die als christliche Theologin sowohl das Christentum als auch den Buddhismus ‚umarmt‘. Auch Rohan Rattan Hoeba hängt zwei Religionen gleichzeitig an. Er wuchs bireligiös auf, als Christ und Hindu. Kaouthar Darmoni kombiniert Sufismus mit Elementen aus Christentum, Judentum und Buddhismus. Sie erfährt die unterschiedlichen Elemente aus den Religionen als eine Bereicherung in ihrem Leben ebenso wie Timo Bravo Rebolledo, der von Haus aus Agnostiker ist, aber regelmäßig Taizé besucht und dem Druidentum nahesteht. Daniël van Egmond findet Inspiration im mystischen Kern aller Religionen und die türkisch-niederländische Kabarettistin Nilgün Yerli, aufgewachsen in einer liberalen muslimischen Familie, ist bewusst multireligiös. Die fünf anderen Beiträge im Buch sind von sogenannten Konvertiten. Im Laufe ihres Lebens veränderten sie ihre Religion oder Weltsicht. Sie traten über vom Christentum zum Hinduismus, zum Buddhismus, zum Judentum oder zum Islam und vom Atheismus zum Christentum. Die jüngste unter ihnen ist Anne Dijk. Als Tochter eines evangelischen Pastors wuchs sie mit dem christlichen Glauben auf. Während des Studiums bekehrte sie sich zum Islam, für sie „der perfekte Mittelweg zwischen Christentum und Judentum“. Naud van der Ven trat zum Judentum über. Für ihn war es eine Erleichterung, den christlichen Glauben hinter sich zu lassen. Der Fokus auf Jesus in seiner Kindheit war ihm ein Greul. Dimitri Woei konvertierte vom Christentum zum Hinduismus, und Anja Meulenbelt, die auch in Deutschland bekannte niederländische Feministin und Publizistin, verabschiedete sich von ihrem Leben als Atheistin und ließ sich taufen. Jotika Hermsen tauschte ihr Leben als christliche Nonne für das einer buddhistischen Meditationslehrerin ein.

(Eine ausführlichere Fassung dieses Beitrags erschien unter dem Titel „Flexible Believers in the Netherlands: A Paradigm Shift toward Transreligious Multiplicity“, in: Open Theology 3,1 (2017), 345– 359.) [...]


Lesen Sie den kompletten Artikel in der Printausgabe.

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