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Stichwort DOI: 10.14623/wua.2018.3.98-100
Thomas Eggensperger
Parrhesia – Wahrheit sprechen
Zu Beginn steht die ewige Frage nach der Wahrheit. Paradigmatisch dafür ist die Wahrheitsfrage im Evangelium: „Ich bin dazu geboren und dazu in die Welt gekommen, dass ich für die Wahrheit Zeugnis ablege. Jeder, der aus der Wahrheit ist, hört meine Stimme.“ (Joh 18, 37) Diese Worte Jesu vor Pilatus scheinen letzteren zu irritieren: „Was ist Wahrheit?“ (Joh, 18, 38), so fragte er Jesus zurück. Es ist leider reine Spekulation, herauszufinden, wie Pilatus diese Frage gestellt hat – vielleicht war sie interessiert bzw. neugierig formuliert, vielleicht aber auch sarkastisch bzw. hämisch. Es ist nicht überliefert, ob Pilatus einen nachdenklichen Charakter hatte oder nihilistisch durch’s Leben ging. Aber was bleibt, dass ist der biblische Rekurs auf sein Ringen nach der Wahrheit.

Mut der Wahrheit – Parrhesia

Um die Wahrheit im Sinne der aletheia (λήθεια), der ewigen also, geht es jedoch in der parrhesia (παρρησία) nicht. Darauf hat Michel Foucault im Rahmen zweier Vorlesungsreihen am Pariser Collège de France (1982–1984) hingewiesen. In dieser rekurriert er auf die Parrhesia als das weitgehend vergessene ethische Fundament der athenischen Demokratie. Hier wird der „Mut zur Wahrheit“ angesprochen, der das aufrichtige Sprechen in der Politik meint. Der Akzent liegt dabei auf der Rhetorik, in der Rede vor einer Öffentlichkeit. Ganz im Geiste des Sokrates bedeutet Parrhesia Mut zum freien Sprechen – und dies im wahrsten Sinne des Wortes. Denn die freie und authentische Rede birgt Risiken in sich, und Sokrates war nicht der einzige, der seine Offenheit mit dem Leben bezahlen musste. Diese Ethik der ungeschützten Rede stellt einen Zusammenhang her zwischen Parrhesia und Rhetorik, aber auch zwischen Subjektivität und Freiheit.

Rigorismus der Wahrheit – Freud und Arendt

Der deutsche Philosoph Hans Blumenberg verdeutlicht an zwei konkreten Beispielen, wie rigoristisch das Beharren auf eine für wahr gehaltene Position angewandt werden kann. Da ist zum einen Hannah Arendt, die mit ihrem zum Klassiker gewordenen Essay über die „Banalität des Bösen“ im Blick auf den Schreibtischtäter Adolf Eichmann deutlich Position bezogen hat, dafür aber auch erhebliche Kritik aushalten musste, was sie souverän tat, war sie doch von der Wahrheit ihrer Meinung überzeugt, dass Heinrich Himmler weniger das organisatorische Genie des Mordes, sondern einfach nur ein „Spießer“ war. Und an anderer Stelle verharmloste sie nach Meinung vieler (auch Blumenbergs) Adolf Eichmann mit ihrer Qualifikation als „Hanswurst“, an dem sich die Banalität des Bösen offenbart hat. Trotz der massiven Kritik an ihrer Formulierung nahm Arendt die Beurteilung nie zurück und störte damit den Gründungsmythos des Staates Israel, an dem der Prozess seinen Anteil hätte haben sollen. Auch Siegmund Freud – Blumenbergs zweites Beispiel – düpierte das jüdische Volk mit der These, dass Moses sein Volk eigentlich immer verachtet habe und es ihn dafür (so die Vermutung mancher Exegeten seiner Zeit) ermordet habe. „Wie Freud den Mann Moses seinem Volk genommen hatte, nimmt Hannah Arendt Adolf Eichmann dem Staat Israel“. Für den Rigorismus der Wahrheit muss man zuweilen einen hohen Preis zahlen!

Wahrheit oder Freiheit – Theologisches

Ein spezielles Phänomen ist es, wenn man meint, Wahrheit gegen Freiheit ausspielen zu müssen. So publizierte ein Theologe unlängst eine, wie er es nennt, „Streitschrift“, um eben dies zu tun. „Macht die Wahrheit frei oder die Freiheit wahr?, so lautet der programmatische Titel des Buches. Im Wesentlichen geht es dem Autor darum, die theologische Begründung der Freiheit, beispielsweise hinsichtlich klassischer Themen wie Frauenpriestertum, Zulassung wiederverheiratet Geschiedener zu den Sakramenten, mit dem dominierenden Anspruch der Wahrheit zu kritisieren. Die freie Rede führt konsequenterweise nicht zur Wahrheit, sondern vielmehr brauche es die Wahrheit (so wie der Autor sie auf der Grundlage dogmatischer und lehramtlicher Aussagen sieht), um zur Freiheit zu kommen. Mit einem solchen theologischen Konzept wird es schwierig, der Parrhesia den ihr gebührenden Raum zu geben, da ihr mit dem Wahrheitsanspruch im wahrsten Sinne des Wortes der Wind aus den Segeln der offenen Rede genommen wird.

Wahrheit hat einen Wert, aber der Wert ist nicht an sich schon gegeben. Der Wahrheitssuche eignen zwei Grundhaltungen. Zum einen ist es die Furcht vor Täuschung, zum anderen die Angst vor Naivität, die nach Wahrheit und Wahrhaftigkeit fragt. Grundtugenden der Wahrheit sind Genauigkeit – denn so findet man die Wahrheit – und Ernsthaftigkeit – denn so verbreitet man Wahrheit. [...]


Lesen Sie den kompletten Artikel in der Printausgabe.

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