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Leseprobe 3 |
DOI: 10.14623/wua.2025.3.116-121 |
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Wolfgang W. Müller |
‚Nachbarin! das Fläschchen!‘ oder die Tuba geben zu denken |
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Mit einem kurzen Text aus Nummer 81 des Dekretes über die Liturgie des II. Vatikanums hat das Konzil eine lange Tradition der Begräbnisliturgie beendet: Die Sequenz, gemeinhin als dies irae, dies illa bekannt, ist seit 1970 aus der Totenmesse der katholischen Kirche gestrichen. Die Gattung der Sequenzen war in der vormodernen Liturgie sehr populär, ermöglichte sie doch, hoch spekulative Themen der Theologie mit den Emotionen persönlicher Frömmigkeit zu verbinden. Das Konzil von Trient reduzierte angesichts eines Wildwuchses die Zahl der Sequenzen zu Ostern (victimae paschuali laudes), Pfingsten (veni sancte spiritu), Fronleichnam (lauda Sion salvatorem) und zur Totenmesse (dies irae). Dieser Text zur Totenmesse galt nach Meinung des evangelischen Hymnologen H. A. Daniel als höchste Zierde religiöser Dichtung und das kostbarste Kleinod der katholischen Kirche und wirkte in Kunst, Kultur und Literatur bis in unsere Zeit hinein. Die Sequenz diente vielen Malern als Motiv, so beispielsweise für die Bamberger Apokalypse, Michelangelos Gemälde vom Weltgericht in der Sixtinischen Kapelle oder das Gemälde im Dom zu Orvieto. Hans Blumenberg stellte seiner Schrift „Die Lesbarkeit der Welt“ als Motto die Strophe der Sequenz: „Ein Buch wird vorgetragen, eine Schrift, die alles enthält, wonach zu richten die Welt.“, voraus. Wolfgang Hildesheimer verbindet in seiner Schrift „Klage und Anklage“ die ökologische Strafpredigt eines Ungläubigen mit der Sequenz aus der Totenmesse.
Historisch ist die Autorenschaft von Thomas von Celano für das aus 17 dreizeiligen Strophen und drei zweiteiligen Strophen bestehende Werk nicht mehr haltbar. Ein unbekannter Autor des 13. Jahrhunderts schuf das populäre Gedicht, das von Papst Pius V. in das römische Missale von 1570 für die Totenmesse aufgenommen wurde5, und eine reiche Rezeptions- und Wirkungsgeschichte bis zum heutigen Tag kennt. „Das dies irae ist ein Text, in dem sich die geistigen Potenzen des Mittelalters musterhaft verkörpert haben. Die machtvoll wirkenden, fast archetypischen biblischen Bilder vom kosmischen Weltende, vom Tod und vom Gericht des Menschengeschlechts, die tief erlebte, tröstliche Begegnung des einzelnen mit dem sanften und barmherzigen Jesus und die Hoffnung auf das Unterpfand seiner Erlösung, schließlich die liturgische Aktion der fürbittenden und Heil vermittelnden Institution Kirche – das alles steht konvergierend in einer lebendig gefühlten Beziehung zueinander und erklingt unvergesslich aus dieser Sequenz.“
Sieht man die Wirkungs- und Rezeptionsgeschichte dieses mittelalterlichen Stabreimes, so fallen mehrere Traditionslinien auf. Zum einen findet sich im Text selbst eine Alternative: „Entweder lässt der Tondichter das Gefühl der Furcht und des Schreckens vorwalten […] oder ihn führt die Theilnahme an dem Verstorbenen auf den dringenden Wunsch, derselbe möge durch Seligkeit beglückt werden.“ Der positiv angedachten Linie entsprechen in neuerer Zeit Capelle und Payen oder A. Stock. Zum anderen wird in der Moderne der bedrohliche und ängstigende Aspekt herausgestellt. Diese Traditionslinie kann für den deutschsprachigen Raum die Dom-Szene aus Faust I von J. W. von Goethe illustrieren. Orgel und Chorgesang der Sequenz untermalen die Unterhaltung zwischen Gretchen und dem bösen Geist, die mit Gretchens Hilferuf „Nachbarin! das Fläschchen!“ endet.
Dies irae
Im Folgenden soll paradigmatisch an einigen Beispielen unter einem theologischmusikalischem Aspekt der Frage nach der Vertonung der Sequenz des dies irae in Geschichte und Gegenwart nachgegangen werden. Im Requiem von Johannes Ockeghem (um 1410–1497), das erste literarische Zeugnis dieser Gattung, sind zahlreiche Kompositionstechniken und Satzweisen festzustellen, die stilbildend für die Komposition eines Requiems bleiben: Duetten der Oberstimmen, ein prächtiger Stil für den Abschnitt ‚rex tremendae‘, ein stufenweises Herabsteigen aus hohen Tonlagen zu einer abschließenden Ruhe im Finale. Des Weiteren wird oft die Cantus-firmus-Technik verwendet, d. h. eine gregorianische bekannte Melodie wird – mit verändertem Rhythmus – als Basis genommen und durch weitere Linien ergänzt. Die Sequenz bleibt in der Regel melodisch dreigliedrig und führt zum oben genannten Höhepunkt. Das Requiem von Orlando di Lasso (1532–1594) wurde erstmalig 1578 aufgeführt. Die zweite Stimme führt den cantus firmus vor, ein ungewöhnliches Stilmittel des Komponisten, das jedoch die Feierlichkeit und Ernsthaftigkeit betont. Es ist eine dunkle und ernste Musik. Die polyphonen Passagen des dies irae sind auf niedrige Tonhöhen gesetzt. Dieser düstere Klang wird jedoch von Orlando di Lasso im Benedictus durch obere Stimmen ‚aufgehoben‘. Somit handelt es sich im Ganzen nicht um eine monotone Komposition, sondern um eine Musikalisierung von Sterblichkeit, Leiden im Verbund mit dem festen Glauben an die Auferstehungshoffnung. Giovanni Pierluigi da Palestrina (um 1528–1594) zeigt in seinem dies irae, dass Textverständlichkeit, ein kirchenmusikalisches Postulat des Konzils von Trient, und Mehrstimmigkeit keinen Widerspruch bilden müssen.
Von M.-A. Charpentier (um 1674–1704) kennt man drei Kompositionen der Totenmesse, die alle von einem innigen, mystischen Verhältnis seiner Frömmigkeit Zeugnis geben. Interessant ist, dass nur das Requiem, welches in g-Moll vertont ist, eine Vertonung des dies irae kennt. Vor der Passage tuba mirum, spargens sonum setzt er ein Orchesterstück, das an das bekannte Te deum des Komponisten erinnert. Das Tuba-mirum-Motiv setzt sich von den anderen Satzteilen ab, es wirkt feierlich und prächtig. Dadurch bekommt die Sequenz eine besondere Behandlung. Mit M. Haydns (1737–1806) Komposition eines Requiems in c-Moll für Sigismund von Schrattenbach liegt keine Auftragsarbeit vor, sondern er will eine posthume Wertschätzung für den Verstorbenen zum Ausdruck bringen. In dieser Version der Totenmesse wird dies irae als Terzett geschrieben, das mehrmals, jedoch variierend, wiederholt wird. Dabei wählt Haydn Tonarten, die von der Grundtonart c-Moll weit entfernt sind: es-Moll und b-Moll. [...]
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