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Stichwort DOI: 10.14623/wua.2024.2.50-54
Roxane Haag-Higuchi
(Un-)Freiheit in der modernen persischen Literatur
Ein Fenster zur Freiheit betitelt der Autor, Verleger und Übersetzer Mohammad Hoseyn Allafi seine Anthologie moderner persischer Prosaliteratur im 20. Jahrhundert. Dieser Titel dient als thematische Klammer um ganz unterschiedliche Werke aus 100 Jahren Literaturgeschichte und ist eine pointierte Beschreibung eines literarischen Leitgedankens: Literatur überwindet Grenzen. Das Fenster markiert die Schwelle zwischen innen und außen, es bringt Licht in einen ummauerten, dunklen Raum, es durchbricht das Versteinerte und öffnet sich in Helligkeit und Weite. Auch wenn die individuelle, gesellschaftliche und politische Freiheit Ziel und Fluchtpunkt des literarischen Blickes ist, so überwiegen in der modernen persischen Literatur doch Unfreiheit und Unterdrückung gegenüber optimistischeren Entwürfen. Das eingeschränkte Recht auf freien Ausdruck prägt zudem das Leben der meisten Kunstschaffenden in Iran. Trotzdem hat sich eine vielfältige literarische Szene entfaltet, die individuelles Erleben, gesellschaftliche Verhältnisse und politische Rahmenbedingungen reflektiert und verhandelt.

Die 1960er und 1970er Jahre

In Iran der ’60er und ’70er Jahre dominierten sozial- und regierungskritische Werke die literarische Szene. Themen wie soziale Ungleichheit, der rasche gesellschaftliche und kulturelle Wandel, Stadt-Land-Gefälle, Rückständigkeit, Despotie und politische Unterdrückung beherrschten vor allem das Genre der Kurzgeschichte, das in dieser Zeit die Führungsrolle unter den literarischen Ausdrucksweisen übernahm. Werkzeug der politischen Unterdrückung war der ab den ’50er Jahren aufgebaute Informations- und Sicherheitsapparat SAVAK, der sich zu einem dichten Netzwerk von Spitzeln auswuchs und vornehmlich linke oppositionelle Kreise aufs Korn nahm. SAVAK wurde zum Synonym für die Durchdringung der Gesellschaft mit willfährigen oder auch hilflosen Informanten und die Unterdrückung jeder kritischen Äußerung. Der in Teheran lebende Autor Hassan Cheheltan schildert in einem Kapitel seines Romans Der Zirkel der Literaturliebhaber (2020), wie ein SAVAK-Spitzel in einem privaten Lesekreis kurz nach der Revolution enttarnt wird. Die Szene lässt die Bedrohung nachempfinden, die aus der Aushöhlung des privaten Vertrauensraums erwächst.

Im Vorfeld der Revolution, als die Repressionen gegen Ende der Herrschaft von Mohammad Reza Pahlavi (1941–1979) etwas gelockert wurden, kam es zu einem großen literarischen Ereignis: Im Oktober 1977 veranstaltete das deutsche Goethe- Institut in Teheran zusammen mit dem Iranischen Autorenverband eine zehn Abende dauernde Serie von Dichterlesungen. Über fünfzig prominente Literaten lasen aus ihren Werken und sprachen unter freiem Himmel vor einem in die Tausende gehenden Publikum. Die „Zehn Nächte“ haben einen festen Platz in der Geschichte des politischen Umbruchs.

In dieser Zeit wurde auch Samad Behrangis (1939–1967) Geschichte Der kleine schwarze Fisch (veröffentlicht 1968) zu einem ikonischen Werk des Aufbegehrens gegen die despotische Herrschaft. Die Erzählung von dem kleinen Fisch, der sich aus der Enge der heimischen Welt befreit, um die Bäche und Flüsse bis zu den großen Gewässern zu erkunden, ist im Stil einer Kindergeschichte verfasst, lässt sich aber auch als eine Allegorie des Befreiungskampfes lesen. Motive wie der Mut des Einzelnen und die Macht der Solidarität angesichts aller Bedrohungen, der Einsatz von Gewalt zur Selbstverteidigung und das Opfer des eigenen Lebens im Kampf gegen den mächtigen Feind beförderten die politische Lesart.

Zensur und Selbstzensur

Nach einer kurzen Phase in den turbulenten Jahren 1978/1979, in der Bücher, Zeitungen und Zeitschriften in ungeahnter Vielfalt erschienen, schloss sich das Tor der Freiheit wieder. Die Zensur, institutionell verankert am Ministerium für Kultur und Islamische Rechtleitung (Pers. Ershād), wurde erneut zum Türsteher zwischen Schaffensprozess und Öffentlichkeit. Zensiert werden nicht nur regimekritische Aussagen, sondern alles, was der islamischen Gesellschaftsordnung nach Maßgabe der iranischen Führung widerspricht. In der zeitgenössischen Literatur werden Unfreiheit und Freiheitsdrang weiterhin in antithetische Bilder von Dunkelheit und Helligkeit, Mauern und Fenster, Enge und Weite, Stillstand und Bewegung, Kälte und Wärme übersetzt. Darüber hinaus begegnen wir heute einem kreativen, variationsreichen Umgang mit dem Thema, in dem Textstrukturen, Bildersprache, verschiedene Aspekte literarischer Wirklichkeit, Widersprüche, Andeutungen und Unausgesprochenes zusammenwirken. Auch die neuen Kommunikationsmittel sind genutzt worden, um die Räume des freien Ausdrucks auszudehnen, zum Beispiel mit Gedichten und sogenannten Tiny Tales in den sozialen Medien. Inzwischen hat die Regierung jedoch technisch aufgerüstet und ihre Überwachung des Internets verschärft. [...]


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