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Leseprobe 2 DOI: 10.14623/wua.2023.4.155-161
Hamideh Mohagheghi
Offenbarungsverständnis – eine islamische Perspektive
Der Koran, die primäre Quelle und Grundlage der islamischen Lehre, ist nach Überzeugung der Musliminnen und Muslime das Wort Gottes, das dem Propheten Muhammad über einen Zeitraum von 23 Jahren durch den Engel Gabriel offenbart wurde. Der Prophet Muhammad war auserwählt, die vermittelten Worte den ersten Adressaten in Mekka und Medina zu verkünden. Dieses Koranverständnis führte zum Urdogma, den Koran als übergeschichtlichen Text zu lesen.

Die vielschichtigen Inhalte des Koran bestehen aus Darstellungen der Glaubensprinzipien, ethisch-moralischer Haltungen, Erzählungen über die früheren Völker und den Umgang der Menschen untereinander, Darlegungen der Konflikte während der Zeit der Offenbarung und Lösungsansätze entsprechend den Lebensgewohnheiten für die Behebung der Konflikte. Die facettenreichen Themen und die sprachlichen Topoi zeigen die kommunikativen Prozesse auf, durch die der Koran entstanden ist. Sie spiegeln die Weltbilder der Spätantike wider und kritisieren, bestätigen oder korrigieren die bestehenden Lebenswelten und Glaubensüberzeugungen. Der vorliegende Beitrag will einen kurzen Einblick in das Koranverständnis und seine Bedeutung für Musliminnen und Muslime geben.

Gott spricht durch den Koran


Sure 17,107 spricht von allmählicher Herabsendung des Korans mit dem Zweck, ihn sorgfältig zu lesen und zu verstehen: „Wir [Gott] haben ihn [Koran] in Abschnitten aufgeteilt, damit du [Muhammad] sie den Menschen vorträgst in Bedachtsamkeit, und wir haben sie wahrhaftig herabgesandt.“ Allein dieser Vers zeigt – nach Meinung von Korankommentatoren –, dass die vernunftbasierte Auseinandersetzung mit dem Text des Koran keine Negierung seines göttlichen Ursprungs bedeutet, ja dass wir zu dieser geradezu aufgefordert sind, um zu verstehen, was Gott den Menschen mitteilen will. Denn gerade, wenn der Koran als Rede Gottes verstanden wird, so die zugrundeliegende Annahme, könnten die Menschen ihn durch ihre Verstehensmöglichkeiten annähernd erschließen. Derartige Verse fordern mehrmals im Koran das Nachdenken zum besseren Verstehen der Inhalte, und dies stets nach den Maßstäben der Vernunft. Angelika Neuwirth unterstreicht die Kontextualisierung des Koran in der Welt der Spätantike: „Die Logik und Hermeneutik des Koran wird nur deutlich, wenn wir ihn als Rekurs auf die großen Fragen der Zeit, als Antithese zu im Raum stehenden Prämissen zur Kenntnis nehmen und nicht als kontextlose Rede eines isolierten Sprechers oder sogar Autors.“

Der Koran mischte sich in die Debatten der Zeit ein, aktualisierte die bereits bestehenden Schriften – Tora und Evangelien – bestätigte und korrigierte sie, kritisierte gesellschaftliche Strukturen und mahnte zur Gerechtigkeit. Er antwortete auf die Fragen der Menschen, zeigte Möglichkeiten zur Konfliktbewältigung und legte Normen fest, die anpassungsfähig zu ihren realen Lebenswelten waren. Der Koran ist ein komplexer Text und kann dann umfassend erschlossen werden, wenn die historischen Begebenheiten der Spätantike – nicht nur auf der Arabischen Halbinsel – und die Denkwelten dieser Zeit erkannt werden.

Die Hörer der Verkündigung standen nicht in einem leeren Raum, sie hatten bereits Weltbilder und Überzeugungen, die sie in ihrem Alltag und in der reichen Poesie und Dichtung der paganen Araber artikulierten. Die mündliche Verkündigung erreichte die Herzen der Menschen kraft der Sprache, zugleich forderte der Koran selbst kontinuierlich seine Zuhörer auf, über seine Worte nachzudenken. Das Rezitieren beruhigt und berührt das Herz, ist trostspendend und begleitet bis heute die Menschen im Alltag, im Gebet, in Trauer und Freude und in unterschiedlichen Lebensabschnitten wie Geburt eines Kindes, Heirat und Tod. Das Hören vermittelt Gewissheit und Zuversicht, dass im und durch den Koran Gott zu Menschen spricht. Diese Qualität des Koran ist signifikant, unterscheidet ihn von anderen heiligen Büchern und wird stets von muslimischen Kommentatoren berücksichtigt, wenn sie sich mit dem Text beschäftigen und um das Verstehen ringen.

Waḥy: unmittelbare kommunikative Offenbarung – Tanzīl: Herabsendung


Der Koran entstammt aus der Wurzel qaraʾa, und die erste Offenbarung beginnt mit dem Imperativ iqrʾ, lies (Sure 96,1–5). Ḥussein Naṣr ist der Ansicht, dass das Lesen die Chiffre der Offenbarung im Islam ist: „Lesen und Schrift sind im Islam kohärent. Der Prophet Muhammad wurde mit der ersten Offenbarung aufgefordert zu lesen, obwohl er des Lesens nicht mächtig war. Die göttliche Verkündigung ermächtigte ihn zum Lesen.“

Der Engel der Offenbarung brachte den Koran in das Herz des Propheten: „Siehe, er [Koran] ist fürwahr herabgesandt vom Schöpfer und Erhalter der Weltbewohner. Mit ihm herab kam der getreue Geist in dein Herz, damit du [Muhammad] Warner seist, in klarer arabischer Sprache.“ (Sure 26,192–195)

Im Zusammenhang mit der Verkündigung des Koran werden zwei Begriffe verwendet: Waḥy und Tanzīl. Waḥy hat die Bedeutungen „Hinweis, verborgene und geheime Bekanntgabe, herbeieilende Mitteilung, Eingebung und Inspiration“. [...]


Lesen Sie den kompletten Artikel in der Printausgabe.

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