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Leseprobe 1 DOI: 10.14623/wua.2023.4.150-154
Dietmar Mieth
Offenbarung
Die Öffnung des Glaubens zur Vernunft bei Meister Eckhart
Eckhart ist als Magister der Theologie auch „Magister sacrae scipturae“, also Lehrer der Schriftauslegung. Seine Werke machen dies deutlich: sie sind vor allem Schrift-Kommentare und Schrift-Predigten. Beides gehört für ihn zusammen, d. h. Glaubensauslegung und Glaubensverkündigung bilden eine Einheit. Dieser Ansatz unterscheidet sich von Thomas von Aquins theologischer Summe vor allem darin, dass letztere – mit einem theologischen Konzept – in großen Teilen die christliche Glaubenslehre ethisch-gesellschaftlich-kirchlich ausrichtet, während Eckhart immer beim „Ursprung“, also bei dem Göttlichen selbst als dem unablässig Wirkenden verbleibt und die Schöpfung – ähnlich wie die griechischen Kirchenväter – als vorbestimmte Heilsökonomie interpretiert.

Eckhart hat seine systematischen Voraussetzungen in seinem „dreiteiligen“ Werk, dem „Opus tripartitum“ dargelegt. Das Werk hat einen induktiven Teil, der vom Sein/„esse“ ausgeht: „esse est Deus“, einen spezifizierenden Teil: „Deus est intelligere“, das Erkennen ist sein Wirken. Daraus folgend legt Eckhart in einem „opus expositionum“ die geoffenbarte Schrift aus. Diese Auslegung führt nicht in ein von der Vernunft abzugrenzendes Mysterium, sondern Offenbarung ist offen für alle, die sich in der Erkenntnis daran üben. Offenbarungstheologie und die Vernunft gehören für ihn zusammen. Philosophen sind für ihn – wie für Thomas – „Liebhaber der Weisheit“. „Sapientia/Weisheit“ ist der gebräuchliche Name für Theologie (im Unterschied, wenn auch nicht in Trennung zur „scientia“).

Offenbarkeit — Meister Eckharts christliche Bibelexegese


Meister Eckharts Kommentar zum Johannesevangelium, der möglicherweise bereits in Eckharts erstes Pariser Magisterium 1302/03 fällt, wird gerne als Beleg für Eckharts Reduktion der Theologie auf die „natürlichen Gründe“ der Philosophen (vgl. LW III, 4, n. 2) zitiert. Man übersieht dann aber, was Eckhart zur Entstehung der Gedanken über Gottes Wort sagt: sie stimmen mit der Erkenntnis des Seins überein.
Dazu zitiert Eckhart die bekannte Stelle im Römerbrief des Paulus: „das Unsichtbare wird durch das, was geschaffen ist, mit dem Verstand angeschaut, auch seine ewige Kraft und Gottheit.“ (LW III, n. 361, 306f.; vgl. Röm 1,20) Mit Boethius verweist Eckhart auf die Verbindung von Glauben und Verstehen, und er fährt fort: „Denn wie es ein Anzeichen von Anmaßung und Unbesonnenheit ist, nur glauben zu wollen, wenn man eingesehen hat, ebenso ist ein Anzeichen von Trägheit und nachlässig das, was man im Glauben annimmt, nicht mit Vernunftgründen und Gleichnissen zu erforschen, zumal ja jedes Geschöpf zum mindesten eine Spur des Schöpfers und ganz allgemein die Wirkung eine Spur ihrer Ursache ist.“ Eckhart geht also davon aus, dass die Annahme des Glaubens aufgrund der Schrift, also der Wort-Offenbarung, vorausgeht. All dies steht jedoch der Vernunft offen.

Die Wahrheit der Schrift, so sagt Eckhart mit Maimonides, ist „‚wie ein goldener Apfel, der von einem silbernen Netzwerk in durchbrochener Arbeit übersponnen ist. Blickt man ihn von weitem an, oder ohne innere Einsicht, dann erscheint er als Silber‘, aber, ‚wenn die Einsicht mit einem schärferen Blick ausgestattet ist, wird ihr enthüllt, was innen verborgen ist und er wird wissen, dass es Gold ist.‘“ (Lib. Par. Gen. n. 1, Vorrede, LW II, 448) An gleicher Stelle spricht Eckhart auch vom „Honig aus verborgenen Waben“ (ebd., 449).

Die Worte der Offenbarung verweisen auf den Ursprung („principium“) der Wirklichkeit, in der diese erst entsteht, sich aber weiter im Wirken entfaltet. Dieses Entstehen ist Schöpfung Gottes, sei es als Zeit- und Welt-Werden in der Genesis, sei es als Werden im inkarnierten Logos. Oder ad personam gesprochen: „Gott wirkt, und ich werde.“ (Pr. 6, DW I, 114) Werden als Wirken, das immer, ohne Unterlass, geschieht. Nichts wäre „da“, wenn dieses Wirken nicht ständig geschähe: lexikalisch zuerst als Hervorgang der Schöpfung, aber zugleich auch als Menschwerdung Gottes, d. h. als Hineintreten des Sohnes in das Menschsein.
Und Eckhart sagt auch: „[…] aus derselben Ader fließen die Wahrheit und die Lehre der Theologie, der Naturphilosophie, der Moralphilosophie, der Kunstwerke ebenso wie der Denkanstrengungen und auch des positiven Rechtes herab.“ (in Joh. n. 444, LW III, 381, 5f., Übers. DM) Es geht also um die „gleiche Ader“, aus der alles hervorfließt (vgl. Pr. 6, DW I, 112). Mit diese „Ader” wird Christus bezeichnet, der die Wahrheit selbst ist (vgl. in Joh. n. 433, LW III, 371, 5, vgl. in Gen. II n. 3, LW I, 453f.). Da hier vom „Fließen“ die Rede ist, sollte man „Ader“ als Quelle und Fluss zugleich deuten.

Die Konvergenz von Natur und Gnade


In seiner berühmten deutschen Predigt über die Armut, die im Nichtwissen, Nichtwollen und Nichthaben bestehe, nimmt Eckhart einen Vorwurf gegen sein Denken auf: es bewege sich „oberhalb der Gnade“ (DW II, 501, 6). Er antwortet auf diesen Vorwurf mit dem Wort des Paulus: „durch die Gnade Gottes bin ich, was ich bin“ (1 Kor 15,10). Mit Paulus könnte er hinzufügen „und seine mir geschenkte Gnade ist nicht unwirksam gewesen …“. Um seine Person geht es ihm jedoch nicht. Um die Bedeutung dieser Antwort auf den Vorwurf zu erhellen, kann man auf die beiden lateinischen Predigten Eckharts zu dieser Stelle bei Paulus verweisen (LW IV XXV, 230–244).7 Dort kann man sehen: der wirkende Gott ist eine einzige durch alle Zeiten hindurch gehende Zuwendung. [...]


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