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Leseprobe 3
Carsten Barwasser
Wiedergelesen
Franziskus Stratmann OP: „Krieg gegen Rußland?“ (1931)
„Worauf es hauptsächlich ankommt, ist dies: dass die Verteidigung eine wirkliche Verteidigung sei: ein wahrer Schutz der Menschen und des Landes, eine möglichst rasche und wirksame Lahmlegung des feindlichen Angriffs. Was geschieht aber, wenn einfach Gleiches mit Gleichem erwidert wird, so dass schon nach einer halben Stunde Verteidigung und Angriff vollständig ineinander übergegangen sind? Wenn der Verteidiger ebenso viel und noch mehr Güter und Menschen verliert wie der Angreifer, ja zum Schluss total besiegt am Boden liegt? Ist eine solche Verteidigung noch sinngemäß? Jeder Mensch und erst recht jede Obrigkeit hat die absolute Pflicht, sinngemäß zu handeln und das Ende zu bedenken.“1

Wenn man in der heutigen Situation, angesichts des Krieges in der Ukraine, einen Text wie den von Franziskus Stratmann über einen möglichen Krieg gegen Russland liest2, kommt einem diese Diskussion auf einmal sehr bekannt vor und man merkt, wie aktuell Stratmann in seinem Denken auch heute noch ist. Auch für Stratmann stellte sich die Frage, ob ein Verteidigungskrieg gegen Russland ethisch gerechtfertigt sein kann, oder ob der Preis dafür nicht zu hoch ist, wenn man die Zerstörungskraft eines modernen Krieges zu Grunde legt. Dabei gibt sich Stratmann keinen Illusionen über den totalitären Charakter der damaligen Sowjetunion hin, die er als ein „skrupelloses Regiment“3 bezeichnete, was jedoch keinen Interventionskrieg rechtfertigen würde, um Russland vom Kommunismus zu befreien, wie es Anfang der 1930er Jahre offenbar gefordert wurde. Stratmann argumentiert hier nicht nur damit, dass ein solcher Krieg ethisch nicht zu rechtfertigen ist, sondern er fragt auch kritisch, ob sich überhaupt der kapitalistische Westen in einer moralisch besseren Position befindet, um „sich zum Richter und Rächer über den Kommunismus“ aufwerfen zu können, oder ob nicht Kommunismus und Kapitalismus demselben Körper angehören, dem wir angehören; ob da nicht von einer Solidarität der Schuld gesprochen werden kann, in der wir alle verstrickt sind.“4 Aus dieser selbstkritischen Haltung heraus erfolgt nicht der Aufruf zur Passivität gegenüber dem Unrecht, welches das sowjetische System darstellt, aber die Forderung nach einer aus dem christlichen Glauben heraus erfolgenden Antwort, die eine militärische Lösung ausschließt. „So bleibt denn zwar die Verwerflichkeit des Nichtinterventionsprinzips bestehen. Wir dürfen das erklärte Antichristentum im Osten nicht einfach auf sich beruhen lassen. Aber auch nicht unser teils verschleiertes teils offenes Antichristentum im Westen. Wir haben beides in rein christlichem Geist zu bekämpfen, im Geiste Jesu, nicht der antiken und modernen Donnersöhne.“5

Zur Erlaubtheit einer Intervention


So rechtfertigt aus der Perspektive des christlichen Glaubens und der Vernunft heraus auch die moralische Verwerflichkeit eines Regimes nicht die militärische Intervention im Namen eines höheren Gutes, weil auch diese Intervention letztlich ein Angriffskrieg wäre, der, wie es Stratmann ganz zu Anfang schon festgestellt hatte, „unsinnig“, „unsittlich“ und damit „unerlaubt“ ist.6 Wie aber sieht es mit der militärischen Verteidigung gegen einen Angreifer aus, der ungerechtfertigterweise ein anderes Land mit Krieg überzieht? Grundsätzlich erkennt Stratmann ein Recht auf Selbstverteidigung an, wie es seiner Ansicht nach auch in der katholischen Friedenstheologie ausgesagt wird, aber er unterscheidet deutlich zwischen einem individuellen Recht auf Selbstverteidigung und dem kollektiven Recht eines Staates. Dieses wird zwar von Stratmann nicht grundsätzlich bestritten, aber er fragt nach den Bedingungen, unter denen ein solcher Verteidigungskrieg moralisch gerechtfertigt sein könnte und hier argumentiert er in einer Weise, die auch an die gegenwärtige Debatte zum Ukraine-Krieg erinnert. Wenn aktuell argumentiert wird, dass die Kosten des Krieges für die Ukraine im Grunde zu hoch seien und diese daher sich um diplomatische Lösungen, auch um den Preis von Gebietsverlusten, bemühen sollte, dann finden sich diese Argumente auch so bei Stratmann wieder. Ein Verteidigungskrieg wäre nur dann gerechtfertigt, wenn er einen sicheren Schutz des Landes und ein rasches Ende der Kampfhandlungen garantieren könnte, was aber in einem modernen Krieg nicht der Fall ist. „Die Aussichten, dass er [der Verteidigungskrieg] eine wirkliche Verteidigung, ein wahrer Rechtsschutz und Rechtstriumph werde und nicht das Gegenteil, stehen null zu null. So gut wie sicher wird es bei einem Aufeinanderprallen zweier moderner Heereskörper keine Sieger und Besiegte, sondern nur beiderseits Ruinierte geben.“7 Wenn aber eine militärische Verteidigung, wie Stratmann meint, sinnlos ist, weil letztlich auch der Verteidigungskrieg in einen totalen und damit nicht mehr zu rechtfertigenden Krieg übergeht, stellt sich die Frage, wie man sonst auf einen Angriff reagieren soll, denn auch die internationale Ächtung eines Angriffskrieges hat diesen ja nicht unmöglich gemacht. Stratmann sieht hier zwei Möglichkeiten, sich gewaltlos der Aggression eines Angriffskrieges entgegenzustellen. Zum einen bringt er die Autorität des Völkerbundes ins Spiel, der als Reaktion auf den Ersten Weltkrieg gegründet wurde, um von nun an die Streitigkeiten zwischen den Nationen auf friedliche Weise zu lösen. Stratmann sieht auch hier das Problem, dass der Völkerbund zwar Druck auf kleinere Staaten ausüben kann, er aber gegenüber den Großmächten eher machtlos dasteht. Doch dieser Einwand wird von Stratmann mit dem Hinweis darauf abgewehrt, dass das System des Völkerbundes erst in den Anfängen stecke und ihm „kommt es auf das Prinzip an, auf die Möglichkeit eines neuen Weges, einer neuen besseren Landesverteidigung als der bewaffneten Selbsthilfe.“8 Stratmann ist von der europäischen Solidarität im Falle eines Angriffes auf Deutschland durch die Sowjetunion überzeugt, denn, so seine Hoffnung, sollte „dieser antibolschewistische Staatenbund dann nicht in der Lage sein, mit anderen als kriegerischen Mitteln dem Angriffsstaat die Angriffslust ausgehen zu lassen? Könnte Russland etwa den vollständigen Wirtschaftsboykott, die absolute Verkehrs- und Handelssperre aushalten?“9 [...]


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