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Leseprobe 1 DOI: 10.14623/wua.2021.4.154-159
Jehoschua Ahrens
Jüdische Trialog-Initiativen in ihrem historischen und religionsrechtlichen Kontext
Keine Frage, der jüdisch-christliche Dialog ist ein ganz besonderer, haben doch beide Religionen enge Beziehungen durch die jüdischen Wurzeln des Christentums, den teilweise gemeinsamen heiligen Schriften und eine lange Geschichte jüdischen Lebens in christlichen Gesellschaften, mit all ihren Einflüssen und Abgrenzungen. Seit einiger Zeit gibt es nun auch einen Trialog der „abrahamitischen Religionen“. Was auf den ersten Blick wie ein Novum scheint, ist im historischen und religionsrechtlichen Kontext des Judentums allerdings keine große Neuerung.

Christen und Muslime aus jüdischer Sicht im mittelalterlichen Spanien

Juden lebten seit der Spätantike bzw. dem frühen Mittelalter vor allem in mehrheitlich christlichen und muslimischen Ländern. Beide Religionen haben zudem mehr oder weniger ihren Ursprung im Judentum, sowohl im Bereich der Schriften als auch der rabbinischen Literatur und der Religionspraxis. Es sollte daher nicht verwundern, dass sich jüdische Gelehrte immer wieder mit dem Christentum und dem Islam beschäftigt haben. Es gibt allerdings keine systematische Theologie im Judentum und entsprechend auch keine explizite „Theologie der anderen Religionen“.

Während des 11. und 12. Jahrhunderts war das muslimische Spanien für Juden ein relativ guter Ort, aber die griechische Philosophie und die muslimische Theologie forderten das Judentum teilweise heraus. Die Reaktionen basierten meist auf einem inklusivistischen Religionsverständnis. Mittelalterliche jüdische Denker im sephardischen Raum verstanden die Bibel als Lehre einer Doktrin des philosophischen Monotheismus. Andere Religionen waren für sie eine Ableitung der jüdischen Konzepte von Offenbarung, Ethik oder Messianismus. Sie spielten also eine Rolle bei der Entfaltung des Planes Gottes.

Jehuda ha-Levi, einer der ganz großen Rabbiner, Poeten und Philosophen des mittelalterlichen Spaniens, schrieb neben vielen anderen philosophischen und poetischen Werken auch das Buch Kusari, eine Verteidigungsschrift des Judentums, in dem er die Diskussion über andere Religionen als Mittel zur Formulierung seiner eigenen jüdischen Theologie nutzt. Bei der Verteidigung der jüdischen Tradition betont ha-Levi zwar die Zentralität des Judentums, aber auch, dass Gott sich auf alle Menschen bezieht. Die Rolle des Judentums vergleicht er mit dem Herzen in einem Körper oder mit dem Stamm eines Baumes, der Früchte hervorbringt, „gleich denen, von welchen sein Same stammt“. „So wandelt auch die Lehre Moses jeden, der nach ihm kommt, in sich um, wenn sie auch scheinbar von jedem verworfen wird. Diese Völker [Christen und Muslime] sind die Vorbereitung und Einleitung zu dem erwarteten Messias, der die Frucht ist, und dessen Frucht sie Alle werden, wenn sie ihn anerkennen, und Alles ein Baum wird.“

Christen und Muslime ebnen den Weg des Messias


Diese inklusivistische Haltung wurde später von Maimonides übernommen. Seine Haltung blieb aber auch ambivalent und er war äußerst kritisch mit dem Christentum, dennoch schrieb er, dass „alle Taten Jesu von Nazareth und jenem Ismaeliten, der nach ihm kam [Mohammed], nur dazu dienten, den Weg für das Kommen des Messias und die Verbesserung der gesamten Welt zu bereiten und die Völker anzuspornen, gemeinsam Gott zu dienen. (…) Wenn der wahre König Messias kommt, (…) werden sie alle umkehren und erkennen, dass ihre Vorfahren ihnen eine falsche Tradition weitergegeben und ihre Propheten und Vorfahren sie getäuscht haben.“ Maimonides war also davon überzeugt, dass Christentum und Islam letztlich auf falschen Konzepten basierten, also vor allem der Trinität oder der geänderten Version biblischer Geschichten im Koran. Andererseits erkannte er die grundsätzliche Gültigkeit dieser Religionen im Plan Gottes zur Erlösung an und erwartete in der messianischen Zeit lediglich eine „Korrektur“ der „Fehler“ von Christentum und Islam, aber keinesfalls, dass Christen und Muslime zum Judentum konvertieren würden. So erklärt sich, dass Maimonides schreibt: „Den Christen ist es erlaubt, Torah und Gebote zu lehren, den Muslimen aber nicht, weil jene nicht an die Göttlichkeit der Torah glauben, die Unbeschnittenen aber erkennen an, dass unser Text der Torah richtig ist. Sie weichen nur in ihren falschen Interpretationen und Bezügen ab, so dass man sie durch die Lehre der richtigen Bedeutung zur Buße führen könnte. Aber selbst wenn nicht, wird ihr Studium den Israeliten keinen Schaden zufügen, weil das christliche Verständnis der Torah nicht unserer Torah widerspricht.“ Der Islam ist zwar für Maimonides unstreitig kein Götzendienst und legitime Religion, aber er hat nicht die Torah als heilige Schrift anerkannt.

In den christlichen Gesellschaften des Mittelalters wurden Juden zwar theologisch diskriminiert, aber grundsätzlich toleriert. Sie konnten fast ohne Einschränkungen Handel treiben, genossen Religionsfreiheit und verwalteten sich im Allgemeinen selbst. Insbesondere die Zeit vom 9. bis ins 11. Jahrhundert war eine Periode eher laxer Regeln bezüglich einer Trennung von Juden und Christen, aber jüdische und christliche Gemeinden waren klar voneinander getrennte Einheiten und die Kirche wie die Rabbiner versuchten eine Trennung der beiden Religionen zu betonen und durchzusetzen. Raschi und andere Rabbiner seiner Zeit waren stark von der Bibel und dem Talmud geprägt und machten daher kaum eine Differenzierung bei Nichtjuden. Für sie gab es nur Juden auf der einen und Nichtjuden auf der anderen Seite, obwohl ihnen natürlich bewusst gewesen sein musste, dass sich mit der Verbreitung des Christentums die nichtjüdische Welt geändert hatte und es einen Unterschied zwischen Christen und der klassischen Spezifizierung eines Götzendieners in Bibel und Talmud gab. Diese Wahrnehmung wandelte sich dann aber im Laufe des Mittelalters vor allem durch intensivere soziale und wirtschaftliche Kontakte, die auch von den Rabbinern nicht mehr ignoriert werden konnten. [...]


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