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Leseprobe 3 DOI: 10.14623/wua.2020.4.162-166
Bernd Hagenkord
Utopien und Dystopien im Rahmen des Synodalen Wegs der Kirche in Deutschland
Utopien zur Kirche sind selten geworden. Früher träumten Christinnen und Christen von der Urgemeinde, die es wieder zu entdecken gälte. Die Basisgemeinde in ihrer idealisierten Form schwebte vielen Aktiven vor, das Reich Gottes in dieser Welt solle anbrechen. Davon ist wenig übrig geblieben. Kirche ist defensiv geworden, der große Wurf, der große Traum ist uns verloren gegangen.

Ähnliches gilt auch für die Schwester der Utopie, die Dystopie. Untergangsszenarien von Kirche sind nicht dramatisch, wir klagen eher über ein Verschwinden denn über den Kampf oder die Gegnerschaft mächtiger Feinde. Die im Augenblick wohl berühmteste Dystopie, der „Report der Magd“ von Margaret Atwood, spielt zwar mit Glauben und dessen Missbrauch, hat aber mit unserer Kirche nicht viel zu tun.

Wir leben auch kirchlich in post-utopischen Zeiten


Dabei haben beide immer eine wichtige Funktion in unserem Glauben gehabt. Es ist wie bei den Propheten in der heiligen Schrift: Gottes auserwähltes Volk tut nicht, was ihm aufgetragen ist, hält sich nicht an die Gebote, und vor allem seine Könige tun, was dem Herrn missfällt. Und der Prophet blickt in die Zukunft und malt das kommende Übel, die Strafe, die Konsequenz plastisch aus. Oder er verkündet Gottes Willen für das Volk, die Verheißung, das Land und die Zukunft.

Allerdings sind es gerade nicht Blicke in die Zukunft, die uns fehlen. Der Verlauf des Synodalen Wegs der Kirche wird begleitet von Stimmen, welche in eine angenommene Zukunft blicken. Kommentatoren etwa, die den Prozess ablehnen, versuchen sich an solch einem Blick und malen das Zerbrechen der Kirche aus. Positive Prophetinnen und Propheten sind dagegen selten, zu vorsichtig sind wir mit unseren Hoffnungen auf Veränderungen geworden. Es scheint, als ob selbst diejenigen, die den Synodalen Weg für wichtig und richtig halten, sich mit Hoffnungen zurück halten. Wohl auch aus Angst, enttäuscht zu werden.

Die warnenden Stimmen im prophetischen Gewand sind vielfältig: der eingeschlagene Weg führe letztlich zu Nationalkirchen mit je eigenen Themen und Ideen, gerade Deutschland leide an einer „Weg von Rom“-Mentalität. Die von Gott gewollte Einheit der Glaubenden würde zerschlagen. Eine andere Stimme: die unveränderbaren Maßgaben des Glaubens würden in Frage gestellt und quasi parlamentarischen Abstimmungen unterworfen. Die von Gott eingesetzte Hierarchie würde in Frage gestellt. Beim Synodalen Weg würden einige Teilnehmende nur ihre eigene Relevanz und ihren kirchenpolitischen Einfluss suchen. Und durch all das bestehe die Gefahr, dass der Weg die schon jetzt existierenden Spaltungen in der Kirche weiter vertiefe.

Erstaunlich einig sind sich diese warnenden Stimmen mit denen, die radikale strukturelle und inhaltliche Formen wünschen und sich auch klar dafür aussprechen: Rom würde das alles sowieso stoppen, wenn es Ernst würde, und überhaupt hätten die Entscheider in der Kirche nicht den Mut, wirkliche Veränderungen anzugehen. Dieser Blick auf eine mögliche Zukunft setzt meist auf eine Liste von eingeforderten Veränderungen, die eintreten müssten, sonst würde das Projekt scheitern.

Allen diesen Blicken ist gemein, dass sie die Linien des Prozesses in die Zukunft hinein verlängern und ein Scheitern oder ein Verlaufen des Prozesses vorhersagen. Der Synodale Weg ist geprägt und begleitet von Skepsis und Befürchtung.

Kleine Dystopien und stumme Utopien

Das alles ist in der Geschichte der Kirche nichts Neues. Dass in den Verhältnissen der Gesellschaft nur Untergang und Unheil erkannt werde, das beklagte schon Papst Johannes XXIII. in seiner Eröffnungsansprache zum Zweiten Vatikanischen Konzil. Und er fand auch den richtigen Ausdruck für diese Blicke: „Wir (damals redeten Päpste von sich selber noch im Plural) aber sind völlig anderer Meinung als diese Unglückspropheten, die immer das Unheil voraussagen, als ob die Welt vor dem Untergange stünde.“ (11. Oktober 1962)

Das Wort „Unglückspropheten „beschreibt sehr gut, was den skeptischen Diskurs zum Synodalen Weg prägt. Und wie alle Prophetinnen und Propheten zu allen Zeiten geht es ihnen nicht um die Zukunft, sondern um die Gegenwart. Es sind Warnung vor einem zu schnellen oder zu weitem Vorangehen, oder im Gegenteil vor einem zu langsamem oder schon zu Beginn zu sehr eingehegten Vorgehen.

Was diese Warnungen und sich prophetisch gebenden Blicke aber nicht sind, sind Dystopien. Vor allem in destruktiven sich selbst katholisch gebenden Webseiten wird zwar mit viel Phantasie vom Zusammenbruch schwadroniert, aber nicht jede Erzählung von den Gefahren der Zukunft ist schon eine Dystopie. Was uns im öffentlichen Kirchendiskurs begegnet, sind eher Möchtegern-Dystopien. Klein gedacht und streng an Interessen der Gegenwart orientiert. Und für die hatte eigentlich schon Papst Johannes klare Worte: „weder genügend Sinn für die rechte Beurteilung der Dinge noch ein kluges Urteil“ bescheinigte er ihnen. Positive Gegenstücke dazu gibt es wenige. Auch die Träger des Synodalen Weges, die Bischöfe und die Laienvertreterinnen und -vertreter, sind sehr vorsichtig. Hier sind schon gar keine Utopien zu finden, allein die Blicke auf die jüngst wieder vorgestellten Austrittszahlen aus dem zurückliegendem Jahr zwingen zu Realismus, nicht zu Utopie. Die Utopien bleiben stumm, sind eher vorsichtige Hoffnungen, die man sich selber gar nicht recht eingestehen mag. In Kirchenliedern werden sie noch besungen, da ist dann ein „Fest nach langer Trauer“ und dergleichen. In Predigten zum neuen Wein in neue Schläuche werden sie beschworen, in Reformgruppen debattiert, wirkmächtig sind sie aber nicht. [...]


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