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Leseprobe 3 DOI: 10.14623/wua.2019.3.176-181
Gerhard (Jerry) Pöter
Von Gott reden im Angesicht des Götzen ‚Freier Markt‘
Wie von Gott reden, ohne in die Netze einer unterdrückenden, ausbeutenden und manipulierenden Gesellschaft zu geraten, die nur das Reden eines angepassten Götzen zulässt? Wie Gott hören, ohne dass der Filter des Fernsehens maßgebend wird, durch den nichts hindurch fallen darf, was nicht zum Nutzen der Reichen und Mächtigen ist, nichts, was nicht mit dem heute angeblich einzig möglichen Denken harmonisiert? Mir scheint notwendig zu sein, uns daran zu erinnern, dass Gott transzendent ist, immer weit hinaus über all unser Denken, Fühlen und Handeln, immer jenseits aller menschlichen Realisationen von Wahrheit, Schönheit und Gerechtigkeit. Den transzendenten Gott können wir niemals besitzen, über ihn keine Aussagen machen, die absolut gewiss sind. Den Gott, wie er in der besten Tradition erscheint, können wir nur suchen, ersehnen, ständig aufs Neue ihm entgegengehen, uns von ihm überraschen lassen. Ein Gott, der nicht mehr überrascht, ist ein perfekt eingepasster Götze.

Spirituelles Leben, Gebet bedeutet in dieser Linie nicht nur Sprechen, sondern mehr noch Hören, auch und besonders denen zuzuhören, die dessen gemeinhin nicht für würdig gehalten werden. Als Christen suchen wir nach Gott im Hören auf die Armen und Verlassenen und in permanenter Auseinandersetzung mit der jüdisch-christlichen Tradition. In ihr finden wir den Kampf der Propheten und Jesu gegen die Götzen, gegen die Schein-Götter, im Falle Jesu vor allem gegen die religiösen. Ein Götze ist etwas, was wir Menschen selber produziert haben, vor dem wir später aber auf den Knien liegen. Es scheint so, als gäbe es keine andere Wahl, als uns dem selbstgemachten Gott zu unterwerfen.

‚Freier Markt‘, der Götze unserer Zeit


Götzen lieben keine freie Diskussion, kein freies Denken und Forschen. Nach ihnen kann man nicht ein Leben lang auf der Suche sein und auch nicht ständig neue, überraschende Erfahrungen machen. Götzen sind per Dekret zu akzeptieren, sind dogmatisch im schlechtesten Sinne des Wortes. Die Vernunft, das kritische Denken sind gefälligst abzuschalten, die eigenen Augen und Ohren abzugeben und mit anderen einzutauschen. Götzen befördern Ausbeutung und legitimieren Unterdrückung. Sie lassen sie als gottgewollt erscheinen. Die falschen Götter verlangen Menschenopfer. Nicht zu vergessen ist: Götzen werden von Menschen gemacht, können von uns auch wieder in ihre Schranken verwiesen werden. Aus Götzen können Instrumente werden, von Menschen kontrolliert und benutzt. Und: Nicht alle Menschen beteiligen sich in gleicher Weise weder an der Produktion von Götzen noch an ihrer Erhaltung. Einige wenige profitieren von ihnen, andere, viele, werden unterworfen und getötet. Einige wenige sind sehr bemüht, dass den Götzen kein Leid geschieht. Manche lassen sich zu Handlangern machen, einige aus Angst vor der Strafe, die vom Götzen droht.

Gibt es heute Götzen? Wer ist der Hauptgötze? Wenn wir uns der Kriterien erinnern, die uns die Propheten überliefern, ist dies heute der sogenannte ‚Freie Markt‘. Er ist von Menschen gemacht, hat katastrophale mörderische Konsequenzen, präsentiert sich als Sachzwang und Standortvorteil, d. h. als unabänderlich, lähmt Hände, Füße und Kopf. Der Markt könnte statt Götze wohl ein Instrument sein, von Menschen kontrolliert und zum Leben aller benutzt. Das Motto unserer Tage ist: ,Konsens‘. Die Angst ist groß, dass der Götze, der die Gesellschaft auseinandertreibt, bei seinem Treiben in Gefahr geraten könnte. Abweichende, warnende, anklagende Stimmen werden geschickt neutralisiert. Viel gegenwärtige Theorie dreht sich um sich selbst, wird nur selten noch mit Wirklichkeit konfrontiert. Kritik, wenn sie überhaupt noch zugelassen wird, muss pro-positiv sein, darf nicht den Götzen insgesamt in Frage stellen, hat ein Beitrag zu sein, ihn besser funktionieren zu lassen. Der Götze ‚Freier Markt‘ produziert Ungleichheit, Gewalt, Umweltzerstörung und Verdummung in unseren Tagen wie noch nie zuvor. […]

‚Freier Markt‘ – die widersprüchliche Entwicklung eines Konzepts Weltbank und Weltwährungsfond zwingen – die Verschuldung ausnutzend – die Regierungen der armen Länder zu einer Wirtschaftspolitik, die ihre Abhängigkeit vertieft und noch höhere Schuldenberge anhäufen lässt. Kapital soll frei transferiert und der Export vergrößert werden können. Soziale Leistungen des Staates sind zu reduzieren. Wenn aber alle armen Länder gezwungen sind, die Exporte der tropischen Agrarprodukte zu erhöhen, führt das zum Sinken der Preise, wie es auch geschehen ist und noch geschieht (s. Kaffeepreise u. a.). Die Reichen der armen Länder bringen ihr dort erzeugtes Kapital ins Ausland, obwohl es dringend zur Investition und für Sozialleistungen im eigenen Land gebraucht wird. […] Diese Gruppen machen die Schulden, deren Zinsen dann jedoch aus Mehrwertsteuern, größtenteils den Armen entwendet, bezahlt werden. Reiche zahlen immer weniger Steuern, hier und überall auf der Welt.



Jerry Pöter OP, Mitglied der Dominikaner-Provinz Teutonia, ist am 28. August 2019 in San Salvador verstorben. Im Gedenken an ihn drucken wir hier das leicht gekürzte Skript eines Vortrags ab, den er anfangs der 2000er-Jahre in Graz gehalten hat. [Anm. der Schriftleitung] [...]


Lesen Sie den kompletten Artikel in der Printausgabe.

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