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Leseprobe 3
Jürgen Werbick
Volks-Frömmigkeit?
Frömmigkeit war gestern. Volksfrömmigkeit erst recht. Ist sie denn etwas anderes als der ausgehöhlte Restbestand einer Volkskirche, die zur Randgröße wurde, so wenig Volkskirche ist wie manche Volkspartei? Unwillkürlich verortet man Volksfrömmigkeit in der Nähe zu Volksmusik, dieser Primitiv-Veranstaltung von Gemüts-Seligkeit, mit der man dem Volk weismacht, das sei Musik aus dem Volk für das Volk. Das Volk ist nicht tümlich, hatte Bert Brecht gekalauert und die Assoziation dümmlich billigend in Kauf genommen. Aber nach den Verkaufsstatistiken ist es empfänglich für „volkstümliche Musik“. Auch für „volkstümliche“ Frömmigkeit? Oder gilt der ebenfalls statistische Milieubefund, den die Sinus-Studien nahe legen, Volksfrömmigkeit sei allenfalls als Bodensatz religiöser Gewohnheiten im traditionellen Milieu, vielleicht noch im Milieu der bürgerliche Mitte greifbar?

Es gibt Entwicklungen und Argumente, die nicht in dieses Bild passen. Die Parallele zur „Volks“-Musik scheint erhellend. Wird nicht gerade hier sichtbar und hörbar, wie subversiv Volksmusik sein kann, wenn kreative Gruppen wie die leider auseinandergegangene Biermösl Blosn sich ihrer annehmen? Da kommt heraus, wie wenig sich diese Musik darauf beschränken müsste, mit einfachsten musikalischen Mitteln Stimmung zu machen. Aber ist nicht auch das eine Musik, die von intellektuellen Könnern für das Volk veranstaltet wird, keine Musik des „Volkes“ selbst? Wie wenn es je anders gewesen wäre! Anders als so: „Prophetische“ Künstler finden den rechten Ton, geben „dem Volk“ seine Stimme zurück, geben ihm eine Alternative zu den offiziellen Parolen und marktgängigen Gesängen; und „das Volk“ stimmt ein, singt anders, hört anders, als die Mächtigen ihm vorspielten.

Wenn das auch für die Kirche und das Volk Gottes gelten würde? Kaum auszudenken. Und in der Vergangenheit doch einigermaßen wahr. Aber heute, wo die Kirchenoberen wegen Personalmangel an die Würde und Mitverantwortung des Volkes Gottes appellieren, das Liturgie feiernde „Volk“ aber auf „wörtliche“ Übersetzungen aus dem lateinischen Messbuch festlegen wollen? Mitarbeit schon; aber Mit-Sprache, eigene Sprache und eigene Praxis? Gott bewahre! Das „einfache Volk“ muss bewahrt werden vor intellektualistisch-elitären Experimenten, soll bei dem bleiben, was die offizielle Liturgie-Sprache ihm in den Mund legt.

Die Frömmigkeit des Volkes wird gewiss nicht danach richten, aber auch nicht tümlich werden, wenn es sie denn in Zukunft noch gibt. Wird es sie unter uns in Zukunft noch geben? Wird Frömmigkeit nicht eher individualisiert sein? Individuell gepflegte Spiritualität eben?

Der Fromme der Zukunft: ein Mystiker?


Karl Rahners fast bis zur Unkenntlichkeit aufgenommene Formel vom Frommen der Zukunft, der – wenn es ihn überhaupt noch gibt – ein Mystiker sein werde, mag als Beleg für den Zug ins Individuelle, ja Elitäre genommen werden. Rahners Formulierungen lesen sich – scheinbar? – wie ein Abgesang auf alles Volkfromme, Milieuhafte: „[W]eil die Frömmigkeit von morgen nicht mehr durch die im voraus zu einer personalen Erfahrung und Entscheidung einstimmige, selbstverständliche öffentliche Überzeugung und religiöse Sitte aller mitgetragen wird“; weil den Glaubenden heute und morgen „eine stets neue Bildung des Glaubens aus seinen letzten Gründen heraus [ab]verlangt“ ist, wird es auf personale Erfahrung und personal verantwortete Frömmigkeit ankommen. An die Stelle des quasi-automatischen Hineinsozialisiertwerdens in religiös-kirchliche Lebensformen tritt eine von elementaren Glaubenserfahrungen her „gebildete“ und durchlebte Spiritualität aus den Wurzeln des Glaubens im Menschenleben, die selbst entscheidet, was ihr dabei hilfreich ist.

Man wird zustimmen und doch unsicher sein, ob es diese Alternative wirklich trifft – und vielleicht auch, ob Rahner es so gemeint hat. Der spricht altmodisch noch von Frömmigkeit. Spricht man heute von Spiritualität, so will man nicht selten die Individualisierung und Subjektivierung der Glaubenshaltungen und -vollzüge zum Ausdruck bringen, die das selbst und ursprünglich Erfahrene als das Eigentliche und Authentische geltend macht. Dem religiös „objektiv“ Vorgegebenen misst solche Spiritualität nur insofern eine Bedeutung bei, als es zu solch authentischer Erfahrung verhilft. Der Erfahrene aber weiß, wie man „das Wissen der Religionen [am besten] nutzen“ kann.

Diese individualisierte und subjektivierte Spiritualität wird Rahner nicht gemeint haben, obwohl auch sie eine Reaktion ist auf die immer mehr ausfallende oder als zwiespältig empfundene sozialisierende Kraft religiöser Überlieferungen, Lebensdeutungen und Praktiken. Es gilt – das macht Rahners Wort vom Frommen als Mystiker deutlich – die Glaubensüberzeugung „subjektiv“ zu durchleben und zu verantworten. Das heißt nicht schon, ihr Subjekt zu sein. Das Pathos der authentischen „religiösen Erfahrung“, die sich zum Kriterium des ihr Dienlichen macht, wird in Rahners Prognose, die Frommen der Zukunft würden Erfahrene sein, kaum mitklingen. Man kann seine Intention eher mit der bei Søren Kierkegaard entlehnten Metapher der Innerlichkeit oder Verinnerlichung erläutern. Aber gerade Kierkegaard scheint den Affekt gegen alles „Volkhafte“ und in diesem Sinne Christentümliche zum Durchbruch gebracht zu haben. Man sollte auf ihn hören, ehe man affirmativ von Volksfrömmigkeit redet.

Verinnerlichung?

Mystiker(innen) sind christlich häufig Krisen-Menschen, die auf die Veräußerlichung des Glaubens reagieren – und darauf, dass institutionelle Formen der Frömmigkeit und die geläufigen religiösen Sprachwelten ihre „Performanz“ verlieren. Religiöse Sprach- und Formenwelten büßen ihre Bedeutung ein, weil die lebendigsten Menschen einer Zeit sich in ihnen nicht mehr ausdrücken können und neue Ausdrucksmöglichkeiten für ihre Gottergriffenheit „erarbeiten“ müssen. Man findet sich und das, was man erfahren hat, nicht mehr gemeint in den offiziellen Formen und Formeln; die Menschen werden von ihnen nicht mehr in der Mitte ihres Daseins erreicht.

Authentische Frömmigkeit bringt das „Innerste“ der Menschen, ihr innerstes Berührt- und Beteiligtsein ins Spiel. Wo sie nicht mehr von diesem Innersten her gelebt wird, ist sie nicht mehr lebendig machend, Leben öffnend und erweiternd. Aber was meint diese Metapher der Innerlichkeit? Martin Walser gibt einen triftigen Hinweis: „Gefühle sind ja, anders als Gedanken, das Innerste. Sie bestimmen, wie ich mich fühle.“ Sie bestimmen unverfügbar, aber durchaus verfälschbar, meine Gestimmtheit. Und sie können sozialisiert und „kultiviert“, sublimiert werden. Man weiß das zur Genüge aus der Psychoanalyse. Das soll jetzt nicht Thema sein, sondern die ursprüngliche Unverfügbarkeit dessen, was uns da „einstimmt“ und uns so die Erfahrung vermittelt, dass wir von weiter her sind, als es die Anfänge sind, die wir selbst setzen können. Mein Jenseits, um mit Martin Walser zu sprechen: jenseits und doch meins, in mir und durch mich diesseitig, welthaft, in der Spannung zu jener Weltfremdheit, aus der ich bin, um mich zur ihr ins Verhältnis zu setzen; Weltentzogenheit, an der ich schon ursprünglich beteiligt und so dagegen gefeit bin, ganz in der Welt aufzugehen, „restlos“ im Welthaften involviert zu sein. Mein Beteiligtsein am Welt-Entzogenen ist von weiter her als es meine Weltverwobenheiten sind. Und es ist die Frage, ob es in irgendeinem Sinne als bejahende Übernahme meiner Welt- und Selbst-Entzogenheit gelebt werden kann – und woher sich mir diese Möglichkeit erschließt. Dieses Zugleich von Selbst- und Welt-Gegebenheit, Selbst- und Welt-Entzogenheit im Innersten und der Selbst-Übernahme will in der Frömmigkeit zum Ausdruck kommen und gestaltet werden.

Will es nicht in Gemeinschaft gelebt und gestaltet werden? Hier ist – wenn es gut geht: auf wohltuende Weise – zu erleben, dass ich von „weiter her“ komme als von mir selbst, dass ich immer schon mittue, wovon ich nicht der Ursprung bin, aber wohinein ich mich einstimmen kann, kritisch einstimme oder mich entziehe, wenn es mich nicht berührt. Gemeinsam beten und singen sind Grundvollzüge der Volksfrömmigkeit, geben dem Volk Gottes eine Stimme, seine Stimme – wenn es gut geht. Aber es geht oft nicht gut. Liturgische Gebete bleiben Weghörtexte, Papierkreationen. Ich kann mein Inneres nicht hineinsprechen. Und es fehlen vielfach die Lieder, in die ich einstimmen kann. Geschmacksfragen? Ja, auch. Und wenn schon. Sind Geschmacksfragen unwichtig? Zeigen sich in ihnen nicht unverfügbare Dimensionen unserer Innenwelt, die in Gemeinschaft gewürdigt werden sollen, der Uniformierung widerstehen – und zur Toleranz herausfordern? Vielleicht führt ja auch der Geschmack zusammen, und zwar diejenigen, die auf einen ähnlichen Geschmack gekommen sind und nicht dauernd von den Eliten hören wollen, das sei ein schlechter Geschmack.

Wenn man alles in die Hand bekommen und regulieren will, auch den Geschmack noch, riskiert man, dass die Menschen den Geschmack verlieren an den nahrhaften Speisen für ihr Innerstes, die man ihnen doch vorzusetzen hätte. Der Geschmack des „Volkes“: ein weites und schwierig zu überschauendes Feld. Aber wer hier rücksichtslos agiert und dominieren will, vergeht sich am Innersten der Menschen.

Dem zustimmen können, woraus ich lebe und mich bejahen kann, meinem innersten Bewegtsein und Hingezogensein, dem, was ich bin und wofür ich da sein kann: All das ist mir geschenkt und zugemutet. Ich kann hegen, was mir gegeben ist; ich kann Hoffnungen hegen. Und das geschieht in einer Gemeinschaft, in der wir gemeinsam versuchen, was für jede(n) allein zu schwierig ist: das Innerste nach außen zu singen, zu beten, zu be-gehen, darzustellen; in Formen gemeinsamen Tuns, an denen ich Geschmack finde und von denen ich mich angesprochen fühle, so dass ich mitsingen und mittun kann. Bei all dem bleibt gültig: Ich kann, ja ich muss mich zu meiner Selbst-Entzogenheit und Selbst-Gegebenheit im Innersten in ein möglichst bewusstes Verhältnis setzen, zu ermessen versuchen, als wer ich mir in meine Welt hinein mitgegeben bin, ob, weshalb und inwiefern ich dieses Unterwegssein bejahen und es fortsetzen kann – wo ich versuchen muss, ihm eine neue Richtung zu geben.

Ich bin nicht nur verwickelt in meine Selbstgegebenheit, so als wäre sie nichts anderes als das Ensemble äußerer Umstände. Ich bin mir selbst entzogen und mir selbst gegeben, damit ich mich in der rechten Weise empfange, mein Woher aufnehme, es mir zugänglich mache und mitnehme auf meinen – unseren – Sehnsuchtswegen in die Welt hinein, auf denen wir der Fülle meines Lebens näher zu kommen hoffen. Mir selbst bin ich anvertraut, damit ich mich in Acht nehme und hege, was mir den Mut zum Leben gibt, den Mut nach der Fülle des Lebens zu suchen. Anderen bin ich anvertraut, mit denen zusammen ich die Biotope des Glaubens, der Hoffnung und des Mutes hegen und pflegen darf.

Mut zum Glauben

Mut ist wohl das Letzte, was man Christen gemeinhin zubilligt. Man weiß ja, wes Geistes Kind sie sind: Kinder der Angst und der Feigheit. Sie haben nicht das Herz, ihre hohlen Gewissheiten in Frage zu stellen und ins Ungewisse, unerhört und ungesehen Neue aufzubrechen. Aber gehört nicht ebenso Mut dazu, mit der Vision eines Lebens in Fülle unterwegs zu sein und auszuprobieren, wo und inwieweit diese Vision in diesem Leben schon wahr werden kann; sich hineinzuwagen in die verwegene Hoffnung, diese Vision sei nicht verloren, wenn wir mit unseren Möglichkeiten am Ende sind – weil wir uns mit ihr dem Gott des Lebens anvertrauen dürfen? Gehört nicht un-glaublich viel Mut dazu, gegen die tödlichen Lebens-Umstände anzuglauben, die uns die große Hoffnung auf die Vollendung des Lebens in der Liebe abgewöhnen wollen; gegen diejenigen, die sie uns ausreden und schlecht reden wollen, damit wir auf unsere Kosten kämen?

Der Mut zum Glauben: daran zu glauben, dass das Geheimnis unserer Selbst-Entzogenheit das Geheimnis unserer Selbst-Gegebenheit ist, das uns den Geber dieser guten Gabe vergegenwärtigt; das Geheimnis seines guten Willens, der uns das Leben nicht als Danaer-Geschenk zumutet. Der Glaubens-Mut an den schlechthin gutwilligen Gott zu glauben, der seinem Geschenk treu bleibt, auch wenn er uns herausfordert – und schenkt –, uns selbst zu transzendieren; der Mut zum Glauben daran, dass, was uns gegeben ist, nicht verloren geht, sondern zu seiner Fülle kommt: Paul Tillich sprach vom „Mut zum Sein“, Karl Rahner von der „kargen Frömmigkeit“, „den Mut eines unmittelbaren Verhältnisses zum unsagbaren Gott zu haben und auch den Mut, dessen schweigende Selbstmitteilung als das Geheimnis des eigenen Daseins anzunehmen“. Die Rede ist von dem Mut, in der Unermesslichkeit des Daseins Gottes Nähe zu glauben und deshalb daran zu glauben, dass in dieser Welt immer wieder neu beginnt, was bei ihm ankommen wird – auch wenn es in dieser Welt damit zu Ende ist und es auch mit Gott zu Ende gekommen scheint. „Der Mut zum Sein gründet“ – um noch einmal mit Tillich zu sprechen – „in dem Gott, der erscheint, wenn Gott in der Angst des Zweifels untergegangen ist.“

Damit werden es Frömmigkeit und Spiritualität von morgen zu tun bekommen: mit der Frage nach den Quellen des Muts – und danach, wann Menschen aus trüben Quellen schöpfen, so dass sie nicht den Mut zum Glauben gewinnen, allenfalls den Mut der Verzweiflung oder die Rücksichtslosigkeit. Spiritualität morgen: das Hegen der unverfügbar zugänglichen Quellen meines Daseins und der Möglichkeiten, mein Dasein zu bejahen; die Kultur eines Mutes, der das Dasein als Dazwischensein – zwischen Selbst-Entzogenheit und Sich-selbst-verlassen-Müssen – annimmt und als verheißungsvolle Herausforderung zu leben versucht. Soviel wird man sagen können, wenn man den Zeichen der Zeit trauen und in ihnen Zeichen der Hoffnung sehen darf. Und dann wird man wieder mit Karl Rahner auf die kirchlich so unerlässliche Mystagogie zu sprechen kommen, die „uns konkret lehren [müsste], es auszuhalten, diesem [dem unermesslich-unverfügbaren] Gott nahe zu sein, zu ihm ‚Du’ zu sagen, sich hineinzuwagen in seine schweigende Finsternis“.

Mystagogie: Sich-hineinführen-Lassen in die Wahrnehmung einer Gottesnähe im unverfügbaren Quellgrund und Abgrund meines Lebens; in jene Botschaft, die mich in die Fülle meines Leben hineinruft und mich herausfordert, die mir mögliche Antwort zu leben; Begleitung und Ermutigung auf dem Weg, der sich als unsere Entdeckungsgeschichte in die Gottesherrschaft hinein erweisen wird – auf einem Weg, der uns lehren und ermutigen soll, zu übernehmen, was uns als unser Selbst zugänglich wurde, uns zu transzendieren, damit wir bei Ihm ankommen, der uns in unser Dasein gesandt hat. Oder einfach auf den „volkstümlichen“ Brauch des Gottesdienstbesuches hin gesagt: Sich einladen lassen, um „einmal die Woche über etwas nachzudenken, das größer ist als man selber.“

Mystagogie auf den Wegen des „Volkes“ Gottes?

Mystagogie in diesem Sinne: Eingeführtwerden auf den Weg gläubiger Selbst- und Welt-Übernahme und Selbst- und Welt-Transzendenz – in die Gegenwart eines Gottes, der sich auf diesem Weg finden lassen will: im Hören auf sein Verheißungs-Wort, im Sich-Wagen auf sein Versprechen hin, in der Feier der sakramentalen Zeichen, die uns zeigen, wozu wir berufen sind. All das geschieht in einer Weg-Gemeinschaft, in einer Kirche, die von Gottes Geist beseelt ist und deshalb als Weg-Gemeinschaft bezeugen kann, wohin die Glaubenden und nach dem Glauben Suchenden unterwegs sind; in einer Kirche, die gerufen ist, mit ihrem Zeugnis zur Nachfolge auf dem Weg Jesu Christi zu ermutigen.

Mut lebt von Ermutigung. Ermutigung zum Glauben und zur Hoffnung des Glaubens ist eher nicht Ermutigung zum großspurigen „Flaggezeigen“, zu demonstrativ gezeigter Macht auf der Straße oder auf den Foren, auf denen um Beachtung gerungen wird. Mut ist überhaupt nichts „Offizielles“, demonstrativ Hergezeigtes. Er ist das Geschenk, sich wagen zu können, es wagen zu können, über das Klein-Denken, Klein-Handeln und Klein-Glauben meiner selbst und meines Lebens, der Kirche, Gottes hinauszukommen. Er ist Gottes Gnaden-Geschenk. Menschen, die mich im Innersten berühren, können mich ermutigen; auch, vielleicht gerade Mitmenschen im Volk Gottes. Volks-Frömmigkeit im gemeinsamen Tun und Glauben, im erlebten und gegebenen Zeugnis, in der Wechselseitigkeit von Ermutigenkönnen und Ermutigtwerdenmüssen: Meist geschieht es ohne Aufhebens und oft ohne dass die Beteiligten es bewusst wahrnähmen; in Solidaritätsgruppen glaubender Menschen, die sich – wenn es gut geht – zusammenfinden, wo die „offiziellen“ Pfarreien personell ausgezehrt sind. Vielleicht sind diese Gruppen die wichtigsten Träger der Volks-Frömmigkeit morgen: Weggefährtenschaften und Räume der Mystagogie; Lebensräume einer Frömmigkeit nahe der eigenen Erfahrung; Räume des Selbstverantwortlichwerdens im Glauben; Räume einer Frömmigkeit, die ermutigt, ohne das Wagnis des Glaubens „wegzubügeln“; Räume eines kritisch-solidarischen Umgangs mit Glaubenstraditionen und den „Offiziellen“ im kirchlich-theologischen Betrieb. Räume eben – und Wege –, in und auf denen die Oberflächlichkeit dieses kirchlichen Betriebs wie die Banalität der üblich und billig gewordenen Kirchen- und Glaubenskritik subversiv „unterwandert“ wird; und dann auch, deshalb auch: Räume der Solidarisierung mit denen, die in Kirche und Gesellschaft sonst keine Lobby haben.

Ist das mehr als eine theologisch vollmundig ausgebreitete Utopie? Ermutigende Erfahrungen gibt es. Wenn sich die Einsicht durchsetzt, dass die Kirche eine Kirche des Volkes Gottes ist, die immer weniger darauf warten kann, bis die Amtsträger endlich da zur Stelle sind, wo Kirche geschieht, wird es mehr und mehr auf Gruppen ankommen, in denen eine(r) den anderen mit seiner (ihrer) Sehnsucht, Bedürftigkeit und dem Glaubensmut dient, der ihm oder ihr – woher auch immer – zugewachsen ist. Dann wird es auf Volks-Frömmigkeit ankommen und ankommen dürfen.

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