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Leseprobe 2 DOI: 10.14623/wua.2025.4.170-176
Jana Ilnicka
Meister Eckhart und Johannes Tauler: überschätzte Ähnlichkeit?
Johannes Tauler gilt als einer der wichtigsten Vertreter des „mystischen Dreigestirns“ der rheinischen Mystik und als einer der beiden bedeutendsten „Schüler“ Meister Eckharts. Die Gründe, diese drei Dominikaner in eine besonders enge Gruppe zu stellen, sind naheliegend, denn unabhängig von den (historisch schwer genau feststellbaren) persönlichen Beziehungen zwischen ihnen ist die intellektuelle Nachfolgerschaft indiskutabel: fast alle wichtigen Begriffe ihrer Texte (grunt, gelassenheit, abgeschiedenheit, entbildung usw.) gehen direkt auf Eckhart zurück. Dennoch gibt es auch wesentliche Abweichungen in der Bedeutung dieser Begriffe. Angesichts der Zeit, in der die Schüler tätig waren – nach Eckharts Anklage, Tod und und der Einstufung seiner Thesen als häretisch – erscheint es plausibel anzunehmen, dass die Schüler versucht haben, diese Probleme zu umgehen. Neuere Forschungen deuten jedoch darauf hin, dass diese Entwicklungen nicht auf politische oder kirchliche Einflüsse wie die Rückkehr zu Thomas von Aquin, sondern eher auf eine eigenständige konzeptuelle Weiterentwicklung von Eckharts Lehre durch seine Nachfolger zurückzuführen sind.

Gegenüber den anderen beiden Dominikanern wird bei Tauler stets auf eine Besonderheit hingewiesen: während Eckhart neben seiner Predigertätigkeit einer der erfolgreichsten akademischen Gelehrten seiner Zeit war und Heinrich Seuse eine akademische Kariere anstrebte (jedoch daran gehindert wurde), zeigte Johannes Tauler anscheinend kein Interesse an der Schule und Lehre. Von ihm sind weder lateinische Texte noch Traktate bekannt. Dennoch sind seine theologischen und philosophischen Kompetenz unzweifelhaft, denn als Mitglied des Predigerordens musste er einen anspruchsvollen Studiengang durchlaufen. Die Breite seiner Belesenheit zeigt sich bereits an den zahlreichen Verweisen auf die scholastischen Autoritäten und Gelehrten seiner Zeit. 

Bemerkenswert ist auch, dass Tauler (im Gegensatz zu Eckhart) bis ins 19. Jh eine allgemeine Anerkennung erhielt. Eckharts Texte sind oft anonym oder anderen Autoren zugeschrieben überliefert, während die Texte, die Tauler zugeschrieben sind, teilweise tatsächlich von anderen, u.a. Eckhart, stammen; die Identifizierung solcher Texte ist Gegenstand aktueller Forschung. Im folgenden versuche ich, eine Verbindung zwischen Eckhart und Tauler etwas zu beleuchten und diese in Beziehung zu Thomas zu stellen.

Anthropologische Debatte

In der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts wird die Frage „was ist der Mensch?“ durch die Entdeckung der aristotelischen und der arabischen Philosophie geprägt. Die zuvor vorherrschende augustinische Vorstellung des Menschen als zwei nahezu autonomen Substanzen, nämlich Seele und Körper, wobei die Seele den Körper belebt und über ihn „wie der Schiffer mit dem Schiff“ (sicut nauta navi) verfügt, wird durch die Begriffe des Hylemorphismus, Akt und Potenz sowie des aktiven und möglichen Intellekts, modifiziert. Bonaventura und einige Franziskaner verstehen den Menschen dabei als eine hierarchische Ordnung von Substanzen, von denen jede ihre eigene Materie und ihre eigene Form hat – etwa Materie und Form des Körpers sowie Materie und Form der Seele, – was eine (zwar streng geordnete, aber dennoch reale) Pluralität der Subjekte in einem einzelnen Menschen impliziert.

Auf der anderen Seite, Avicenna (Ibn Sina) und, in deutlich leichterer Form, die Nachfolger von Averroes (Ibn Ruschd) sprechen von einem „einzigen Intellekt“ (intellectus unicus) aller Menschen: da die Wahrheit eine ist, ist auch das wahre Erkennen dieser Wahrheit eins, und dieses Erkennen geschieht als ein Akt jenseits der einzelnen Intellekte, als eine Art überindividuelle Erkenntnis – was die Autonomie eines einzelnen Menschen untergräbt.

Gegen diese beiden Positionen stellt sich Thomas, der einerseits die Seele als die einzige substanzielle Form im Menschen sieht, und andererseits den Intellekt als die Kraft jeder einzelnen Seele versteht. Nun wird im 14. Jahrhundert diese anthropologische Debatte erneut stärker von den Paulusbriefen beeinflusst. Die „Dreiteiligkeit“ der menschlichen Natur (Körper, Seele, Geist – vgl. 1 Thess 5,23), der Konflikt des äußeren und des inneren Menschen (vgl. Röm 7,21‒23) und der raptus Pauli in den „dritten Himmel“ (vgl. 2 Kor 12,2‒4) bilden den Rahmen dieser Diskussionen. Sowohl Eckhart als auch Tauler greifen gerne diese Themen auf – allerdings spricht Eckhart häufiger von dem Entrücken und von den „drei Himmeln“, während Tauler sich überwiegend mit der Frage der „Dreiteiligkeit“ und dem „äußeren und inneren Menschen“ beschäftigt.

Der äußere und innere Mensch

Die Unterscheidung zwischen „innerem“ und „äußeren“ Menschen (vgl. Röm 7,21‒23, 2 Kor 4,16) ist bereits bei Paulus selbst nicht eindeutig: einerseits scheint der Begriff „innerer Mensch“ den Teil des menschlichen Charakters zu bezeichnen, der sich an Gott erfreut, andererseits wird der „äußere Mensch“ mit der Körperlichkeit und mit der Sterblichkeit gleichgesetzt. Diese Unschärfe der Beschreibung ermöglicht verschiedene Interpretationsansätze, von einem mehr oder weniger expliziten Manicheismus („böser Körper“ vs. „guter Geist“) bis zu reinem Hylemorphismus (Form oder Seele als „innerer Mensch“, Materie oder Körper als „äußerer Mensch“). Dadurch ließ sich auch der im 13. Jh wiederentdeckte Aristotelismus gut an diese Unterscheidung anpassen.

Thomas versteht unter dem „inneren Menschen“ den rationalen Teil des Menschen, das Spezifische, was den Menschen von den Tieren unterscheidet. Der „innere Mensch“ ist nicht „der gute Teil“ in dem Menschen, sondern schlicht „der eigentlich menschliche Teil“, der gut oder böse sein kann. Zum „äußeren Menschen“ zählt Thomas nicht die bloße Materialität des Körpers, sondern auch Sinne, Beweglichkeit und Wachstum. Der „äußere Mensch“ ist an sich weder moralisch gut noch böse: die moralische Bewertung gilt nur für den „inneren Menschen“. Diese Interpretation weicht deutlich von Paulus ab in dem, was den „inneren Menschen“ betrifft, kann aber als konform mit seiner Theorie des „äußeren Menschen“ genannt werden.  [...]


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