 |
|
|
|
Unsere Autoren |
|
 |
|
|
Ausgaben der letzten Jahre |
 |
Die kompletten Ausgaben im PDF-Format |
finden Sie hier. |
 |
|
 |
|
Leseprobe 2 |
DOI: 10.14623/wua.2025.2.60-66 |
|
Anselm Schubert |
Was ist eine „Geschlechtergeschichte Christi“? |
 |
Ungewöhnliche Vorstellungen von einem weiblichen oder einem androgynen Christus begegnen in der Geschichte des Christentums von Anfang an: Das reicht vom weiblichen Christus der mittelalterlichen Mystik und des modernen Feminismus, über die „vive sante“ der Renaissance bis zu den androgynen Christusvorstellungen eines Maximus Confessor und Jakob Böhme.
Christus: männlich, weiblich, androgyn
Die Frage ist, wie man diese bemerkenswerte Tatsache beurteilt. Die feministische Theologie, die zuerst auf sie aufmerksam gemacht hat, las vor allem die weiblichen Christusfiguren emanzipatorisch als Beweis dafür, dass es immer auch Alternativen zum hieratischen, patriarchalischen Gottes- und Christusbild der kirchlichen Tradition gegeben habe. Die queere Theologie der letzten Jahre steht in dieser Perspektive, wenn sie im Rückgriff auf Traditionen des androgynen Christus ihrerseits queere Christusbilder als Identifikationsmöglichkeit entdeckt und theologisch ausbuchstabiert.
Jede andere Epoche, so scheint es, war in Geschlechterfragen progressiver und offener als die Neuzeit, die Christus als Mann und nur als Mann kannte. Doch dieser Sichtweise liegt eine historische und theologische Perspektivverzerrung zugrunde. Denn ihr liegt die unausgesprochene Annahme zugrunde, man habe in den vergangenen Epochen unter „männlich“ und „weiblich“ oder „androgyn“, kurz unter „Geschlecht“ mehr oder weniger dasselbe verstanden wie heute. Nur aus der Differenz zum heute scheinbar selbstverständlichen Begriff von „Männlichkeit“ ergibt sich das emanzipatorische Potential eines „weiblichen“ oder „androgynen“ Christus.
Die Geschlechtergeschichte hat aber seit den 1990er Jahren gezeigt, dass und wie sehr sich im Laufe der Geschichte gewandelt hat, was man unter biologischem und erst recht unter sozialem Geschlecht verstand. Auf die Frage nach dem Geschlecht Jesu Christi lässt sich deshalb weder theologisch noch historisch eine richtige Antwort geben: Was soll die Aussage, Christus sei ein Mann oder aber eine oder gerade keine Frau gewesen, schon bedeuten, wenn sich das Verständnis dessen, was Mannsein und Frausein ist, im Laufe der Geschichte immer wieder grundlegend geändert hat?! Eine solche Aussage ist nur in ihren jeweiligen historischen Kontexten sinnvoll. Wir müssen also stets mitbedenken, was man in der jeweiligen Epoche unter biologischem und sozialem Geschlecht verstand, um beurteilen zu können, was mit einem männlichen, weiblichen oder androgynen Christus gemeint war und ob sich daraus theologisch oder kirchenpolitisch emanzipatorische Potentiale ableiten lassen.
Die Männlichkeit Christi in der Antike
In der antiken Medizin herrschte die Ansicht, die körperliche und seelische Ausprägung jedes Menschen verdanke sich der individuellen Mischung der in jedem Lebewesen vorhandenen vier Säfte. Dieser Mischung der Säfte und der durch sie bedingten inneren „Hitze“ verdankten sich, so die Annahme, auch die anatomischen Unterschiede bei dem, was wir heute Männer und Frauen nennen. In der Antike ging man davon aus, dass es nur ein menschliches Geschlecht gebe und Individuen, bei denen die Geschlechtsorgane außen oder aber innen gelagert seien. Geschlecht war keine anatomische, sondern eine moralische Kategorie: Menschen mit größerer Hitze und Trockenheit schrieb man äußere und innere Härte und Vernünftigkeit als „Männlichkeit“ zu, die für Gewalt, Herrschaft und Autorität geeignet mache. Individuen mit kälterer und feuchterer Natur neigten, so die Annahme, zu geringerer Vernunfttätigkeit und größerer Emotionalität, die mit „Weiblichkeit“ gleichgesetzt wurde. Da sich im Laufe des Lebens die Säftemischung ändern konnte, war auch das Geschlecht im Prinzip änderbar. Deshalb war die wichtigste Aufgabe eines Mannes, durch sein Verhalten seine Männlichkeit und Vollkommenheit aufrecht zu erhalten. Dazu gehörte vor allem die „enkrateia“, die völlige Beherrschung eigener und fremder Gefühle und Triebe. Sexualität war in dieser Perspektive problematisch, brachte sie doch die Gefahr des Verlusts von Selbstbeherrschung mit sich.
Vor diesem Hintergrund war selbstverständlich, dass in der Theologie der Alten Kirche die körperliche Männlichkeit Christi überall als völlig selbstverständlich galt: Männlichkeit war hier aber selbstverständlich nicht Ausweis einer bestimmten Geschlechtsidentität im modernen Sinne, sondern die notwendige Implikation seiner Vollkommenheit. Von daher war auch selbstverständlich, dass Christus als vollkommener Mann seine Sexualität vollkommenen beherrscht hatte, d. h. ohne jede Sexualität gelebt hatte. Für die Theologie der Alten Kirche galt ausnahmslos: Aus dem vollkommenen Menschsein Christi folgte sein vollkommenes Mannsein, aus diesem seine vollkommene Selbstbeherrschung und aus dieser seine vollkommene Keuschheit, die das Himmelreich vorwegnahm, wie es in Mt 22,30 heißt: „Denn in der Auferstehung werden sie weder heiraten noch sich heiraten lassen, sondern sie sind wie Engel im Himmel.“
Mittelalter: die zwei Identitäten Christi
Das mittelalterliche Verständnis der Geschlechter war zunächst im großen Ganzen eine Fortsetzung der antiken Tradition. Doch schon im Frühmittelalter trat neben das antike Modell zunehmend ein dichotomisches Modell zweier distinkter Geschlechter, die so, wie sie waren, von Gott geschaffen worden waren. Aber der mittelalterlichen Theologie war auch klar, dass das weibliche Geschlecht dem männlichen nachgeordnet sei, denn Eva war aus dem Körper Adams nachträglich als seine Gehilfin geschaffen (Gen. 2,18).
Auch für mittelalterliche Theologen stand deshalb das männliche Geschlecht Christi außer Frage: sowohl das biblische Zeugnis als auch die natürliche Ordnung und die philosophische Tradition schienen die höhere Würde des männlichen Geschlechts anzuzeigen. Nur ganz theoretisch gaben einige Theologen zu bedenken, dass Gott, da er allmächtig (potentia absoluta) sei, sich natürlich auch in Gestalt einer Frau hätte inkarnieren können, dies aber aufgrund der von Gott gewollten Ordnung (potentia ordinata) als unangemessen verworfen habe. [...]
Lesen Sie den kompletten Artikel in der Printausgabe.
|
|
|
|
|
|
|
Anzeigen |
Mit Anzeigen und Inseraten erreichen Sie Ihre Zielgruppe. Anzeige aufgeben |
 |
|
Unsere neue Dienstleistung für Verlage, die Ihr Abogeschäft in gute Hände geben wollen.
|

mehr
Informationen
|
 |
|
Bücher & mehr |
|
|