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Stichwort DOI: 10.14623/wua.2019.3.98-101
Ulrich Ruh
Kirchliche Zeitschriften im Medienwandel
Die Liste der religions- beziehungsweise kirchenbezogenen Zeitschriften in Deutschland ist immer noch ziemlich lang. Da finden sich auf katholischer Seite die Bistumsblätter und theologische Fachzeitschriften, Verbandszeitschriften katholischer Verbände und Ordenszeitschriften, daneben auch einige Organe mit allgemeinerem Anspruch. Aber dieses Imperium bröckelt längst: Auflagen gehen mehr oder weniger stark zurück, nicht zuletzt die von Bistumsblättern. Über den immer engeren kirchlichen Bereich hinaus werden die entsprechenden Medienprodukte kaum noch wahrgenommen.

Print und Digital, Text und Bild

Ist diese unübersehbare Krise der katholischen Printmedien in Deutschland – und nicht nur dort, sondern auch in anderen europäischen Ländern – vor allem ein Symptom des umfassenden Medienwandels, der sich derzeit abspielt, alle traditionellen Medien herausfordert und sie zu einer Neuverortung in Präsentationsformen und Ansprache ihres Publikums zwingt? Handelt es sich um eine kleine Randerscheinung der vielfach diagnostizierten großen Verschiebungen zum einen hin zur Dominanz der elektronischen Medien und gleichzeitig zur Ablösung der klassischen Schriftkultur durch eine neue Verhältnisbestimmung von Schrift einerseits und Bild andererseits?

Natürlich spielen diese Faktoren auch für den speziellen Bereich, um den es hier gehen soll, eine beträchtliche Rolle. Jeder, der in den letzten Jahrzehnten beruflich auf dem Feld der kirchennahen Medien über eine längere Zeit engagiert war, kann das aus eigener Erfahrung bezeugen. Das kirchlich-religiöse Medienangebot hat sich durch diverse Online-Dienste erweitert, sei es in offizieller oder in privater Trägerschaft. Katholische Printmedien wie die Bistumszeitungen oder andere Zeitschriften machen inzwischen auch alternative oder zumindest ergänzende Angebote im Netz. Wo früher nur die Namen von Autorinnen oder Autoren zu lesen waren, sind sie jetzt auch im Bild zu sehen. Man ist allgemein darum bemüht, durch einen stärkeren Einsatz von Bildern Texte aufzulockern oder durch Bildstrecken eigene Akzente zu setzen. Was für die Lokal- oder Regionalausgabe einer Tageszeitung für die Mischung von Text und Bild inzwischen selbstverständlich gilt, prägt auch kirchliche Printmedien.

Ohne das Wort geht es nicht. Debattenbeiträge


Für den christlichen Glauben und die Kirche sind die Grundvollzüge der liturgischen Feier, der Verkündigung und der Diakonie/Caritas konstitutiv. In der katholischen Feier der Liturgie haben zwar zeichenhafte Elemente verschiedenster Art einen festen Platz; allerdings brauchen sie unbedingt das Wort, um als christlich bestimmbar zu sein, vom Wort der biblischen Lesungen bis zu den Worten des Hochgebets. Verkündigung kann sich der Bilder bedienen und hat das früher auch in beträchtlichem Umfang getan (‚biblia pauperum‘), ist aber unaufgebbar immer auch ein Wortgeschehen. Deshalb steht in den Kirchen neben dem Altar die Kanzel. Diakonie wiederum braucht letztlich weder Wort noch Bild, um verstehbar und glaubwürdig zu sein. Das bedeutet für kirchennahe, dem Christentum verbundene Medien: Sie müssen bei ihrem Geschäft notwendiger Weise mit den diversen Wortbeständen der reichen christlichen Tradition und auch der Gegenwart umgehen und dürfen dabei die theologische Auslegung dieser Wortbestände mit ihren Rationalitätsstandards nicht außen vor lassen – anderenfalls würden sie ihre Identität gefährden.

Es kommt allerdings sehr auf das Wie an, und das ist wiederum in erheblichem Maß von der jeweiligen Situation von Glaube und Kirche geprägt. Katholische Printmedien entstanden in einer Zeit, in der das katholische Christentum in Deutschland wie auch anderswo in Europa weitgehend als zur Selbstbehauptung abgegrenztes soziales und kulturelles Milieu organisiert war. Zeitungs- und Zeitschriftentitel aus jener Epoche erinnern bis heute daran, sei es ‚La Croix‘ in Frankreich oder ‚La civiltà cattolica‘ in Italien. Man war seinerzeit darum bemüht, in Absetzung von Strömungen wie Liberalismus und Sozialismus die eigene religiöskirchliche Prägung zu stabilisieren. Dann kam das überraschend einberufene Zweite Vatikanische Konzil (1962–1965) mit seiner programmatischen Öffnung der katholischen Kirche zur ‚Welt von heute‘ und zu den anderen christlichen Konfessionen und mit seinem teilweise neuen Blick auf die eigene Tradition, etwa im Verständnis von Kirche und von ihrem Gottesdienst. Damals profitierten katholische Printmedien vom konziliaren Auf- und Umschwung, begleiteten ihn mit kritischem Engagement und fanden auch sehr viel öffentliches wie kirchliches Interesse dafür, wie die seinerzeitigen Auflagenzahlen belegten.

Heute sind viele europäische Gesellschaften auf eine neue und durchaus heikle Weise religiös gespalten: Zum einen hat sich neben dem Christentum in seinen verschiedenen Konfessionen vor allem durch Einwanderung der Islam als starke und oft nur unter Konflikten zu integrierende Minderheit etabliert. Gleichzeitig zerfällt die christliche Mehrheit in einen ‚Mainstream‘ aus inzwischen selbstverständlicher Säkularität mit Restbeständen von Kirchen- und Glaubensbindung und kleine Gruppen entschiedener oder traditionsverliebter Christen verschiedener Provenienz. Religiöse Fragen und Themen werden gelegentlich, eher unverbindlich virulent, teils als Gegenstand einer vagen Sehnsucht, teils mit einer gewissen Empfindlichkeit angesichts von Verlusten an religiösen Ausdrucksmöglichkeiten und kirchlicher Gemeinschaftlichkeit. In dieser für sie schwierigen und herausfordernden Situation müssen sich die Kirchen als Institutionen genauso zurechtfinden wie die ihnen und dem Christentum verbundenen Medien – und sie tun sich damit quer durch Europa, nicht zuletzt auch in Deutschland, ausgesprochen schwer.

Trotzdem haben sie eine wichtige Aufgabe, gerade angesichts der heutigen religiös-kirchlichen Gemengelage. Natürlich sind hier auch die allgemeinen Medien gefragt, können etwa qualitätsvolle Tages- und Wochenzeitungen durch entsprechende laufende Berichterstattung wie auch durch besondere Beiträge bei entsprechenden Anlässen Impulse für religiöse Debatten geben und weltanschauliche Auseinandersetzungen in der Gesellschaft anstoßen und begleiten. In Deutschland können wir uns in dieser Hinsicht sicher nicht beklagen! Aber es kann auch nichts schaden oder sogar ausgesprochen nützlich sein, wenn darüber hinaus spezielle Medien mit ausgewiesener Religions- und Kirchenkompetenz im Angebot sind. Das können gerade auch Printmedien sein, im Regelfall inzwischen flankiert von elektronischen Ausgaben. Entscheidend ist dabei vor allem, dass es eine engagierte und unabhängige Redaktion gibt, die möglichst viel Gespür für religiöse Entwicklungen und kirchliche Vorgänge hat und auf ein gutes Team von ausgewiesenen Autorinnen und Autoren zurückgreifen kann.

Kompetenter Religionsjournalismus

An Aufgaben für einen kompetenten Religionsjournalismus und entsprechende Medien fehlt es beileibe nicht. Das beginnt beim Thema Islam, wo sich Einseitigkeiten, Übertreibungen und Ängste geradezu türmen und solide Information wie auch differenzierte Einschätzung nach wie vor Mangelware sind. Wenn kirchliche beziehungsweise kirchennahe Medien hier gegenzusteuern versuchen, verdient das hohe Anerkennung und kann einem guten und vielleicht sogar produktiven Zusammenleben mit dem Islam und seinen Gläubigen nur nützen. Das schließt die Auseinandersetzung mit einem radikalen Islamismus und seinen Auswirkungen für christliche Gemeinden im Mittleren Osten oder in Teilen Afrikas nicht aus, sondern gerade ein. Berichterstattungs- und Analysebedarf gibt es zweifellos auch im Blick auf die nicht einfach zu beschreibende, weil verwirrend plurale religiöse Landschaft im heutigen Deutschland und in anderen europäischen Ländern insgesamt.

Dazu kommen die Veränderungen in den großen christlichen Kirchen als den nach wie vor wichtigsten Repräsentanten von strukturierter und praktizierter Religion in unserer Gesellschaft mit den entsprechenden innerkirchlichen Auseinandersetzungen und Diskussionsprozessen. Es ist für die gesellschaftliche und kulturelle Entwicklung insgesamt von einiger Bedeutung, welcher Platz dabei den Kirchen zukommt und wie sie sich selber mit ihren reduzierten Kräften positionieren. Hier durch Hintergrundwissen und die Fähigkeit zu kompetenter Einordnung und Beurteilung für die Öffentlichkeit Hilfestellungen zu leisten und gleichzeitig die notwendigen Debatten innerhalb der Kirchen mit kritischer Sympathie zu begleiten, das ist eine lohnende Herausforderung gerade für religions- und kirchennahe Medien. Zu ihrer Bewältigung braucht es den Verzicht auf theologisches Fachchinesisch wie auf fromme Floskeln und auf kirchlichen Insiderjargon, stattdessen die Fähigkeit, religiöse und kirchliche Zusammenhänge für die Öffentlichkeit anregend und ehrlich zu erschließen. Das ist des Schweißes aller Edlen wert! Wir sollten das Kapital an Erfahrung und Lernbereitschaft, das in den letzten Jahrzehnten im kirchlich-religiösen Medienbereich trotz aller Unzulänglichkeiten und Versäumnisse angesammelt wurde, nicht einfach preisgeben, sondern vielmehr möglichst klug und risikobereit nutzen. Was sich daraus unter den obwaltenden Umständen machen lässt, ist allerdings nicht abzusehen.

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