 |
|
|
|
Unsere Autoren |
|
 |
|
|
Ausgaben der letzten Jahre |
 |
Die kompletten Ausgaben im PDF-Format |
finden Sie hier. |
 |
|
 |
|
Leseprobe 2 |
DOI: 10.14623/wua.2025.1.11-16 |
|
Michael Böhnke |
Zur Vernehmbarkeit des Hl. Geistes in einer entzauberten Welt |
 |
„Imagine there’s no heaven / It’s easy if you try / No hell below us / Above us only sky“ (John Lennon)
Auf wunderbar poetische Weise hat John Lennon im März 1971 durch einen Song, der Popgeschichte geschrieben hat, der Entzauberung der Welt Ausdruck verliehen. Lennon hat an die Einbildungskraft appelliert, sich inhaltlich zugleich aber nachmetaphysischer Rationalität verschrieben: „Above us only sky“. Darin steckt eine feine Ironie. Wie kann man in poetischer Form und gleich mit dem ersten Wort an die Einbildungskraft appellieren und zugleich die Perspektive der um Objektivität bemühten nachmetaphysischen Rationalität preisen? Ist es nicht eben jene rationale Weltsicht, in deren Perspektive die Einbildungskraft wegen ihres notwendig subjektiven Charakters kritisch gesehen wurde? Wie dem auch sei: Die Rationalisierung der Lebenswelt ist das, was Max Weber (1864–1920) mit dem Schlüsselbegriff „Entzauberung der Welt“ belegt hat. Lennon hat mit seinem Kultsong eben dieser Entzauberung der Welt gehuldigt: „No heaven“, „no country“, „no religion“, „no possessions“. Er imaginiert eine friedliche Welt ohne Krieg und Opfer, in der es nichts mehr gibt, für das es zu töten oder zu sterben lohne. Diese Welt beginne in den Köpfen, so der Song, durch die Imagination einer Subtraktion. So ist Weber oft gelesen worden.
Implizit geht Lennon davon aus, dass Transzendenz, Nationalstaaten, Religionen und Eigentum Quellen des Unfriedens und der Gewalt seien. Deshalb sollten wir uns ihrer mental entledigen. Mache dich frei von allen unberechenbaren Mächten, so lautet die Botschaft. Dies führe zu einer Humanisierung der Verhältnisse im Heute, so das Versprechen. „Wenn viele gemeinsam träumen, ist es der Beginn einer neuen Wirklichkeit“, möchte man mit Blick auf den Solidaritätsaspekt des Songs, der in der Formulierung „all the people“ zum Ausdruck kommt, ergänzen. Die Entzauberung der Welt, die Lennon popkulturell in Anspruch nimmt, hat historisch andere Konsequenzen gezeitigt, als sie ihm vorgeschwebt haben dürften. Sie hat, wie Max Weber gezeigt hat, durch die Geschichte der Subtraktion den Geist des Kapitalismus hervorgerufen.
„Webers Sorge ist, dass die immer weiter getriebene Rationalisierung jede transzendentale Sinnstiftung nicht nur überflüssig, sondern unmöglich macht“, so Bernhard Schulz im Tagesspiegel.3 Er zitiert Weber, der in seinem 1917 gehaltenen Vortrag ‚Wissenschaft als Beruf‘ über den Rationalismus der abendländischen Kultur ausgeführt hatte, „dass es also prinzipiell keine geheimnisvollen unberechenbaren Mächte gebe, die da hineinspielen, dass man vielmehr alle Dinge – im Prinzip – durch Berechnen beherrschen könne. Das aber bedeutet: die Entzauberung der Welt.“ Der Preis der Lebensführung in einer entzauberten Welt aber ist, „sich selbst entscheiden zu müssen, wie und wofür man leben will und welchen ‚Sinn‘ man seinem Leben gibt.“ Hans Joas, der dem Weber‘schen Terminus skeptisch gegenübersteht, urteilt: „Ihre existentielle Bedeutung gewinnt die Geschichte von der Entzauberung wesentlich daraus, daß sie die empirische Begründung für ein Gefühl der Sinnkrise oder des Sinnverlusts zu liefern scheint.“
Jörg Lauster, Autor der 2021 erschienen Biographie des Hl. Geistes, hat vielleicht auch deshalb und im Gegenzug zu Weber seine sieben Jahre zuvor erschienene Kulturgeschichte des Christentums unter dem Titel „Die Verzauberung der Welt“ veröffentlicht, „offensichtlich um Max Webers Geschichte von der Entzauberung der Welt eine Alternative entgegenzusetzen.“
Nach Joas ist der Terminus Entzauberung wegen seiner Vieldeutigkeit nicht geeignet, um „die Voraussetzung für und die Kehrseite der Geschichte eines sich durchsetzenden Rationalismus“ adäquat zur Sprache zu bringen. Er hat das Entzauberungsnarrativ im wahrsten Sinne des Wortes „zerlegt“, indem er gezeigt hat, „daß wir für die von Weber als Entzauberung bezeichneten geschichtlichen Prozesse drei verschiedene Begriffe benötigen: Entmagisierung, Entsakralisierung und Enttranszendentalisierung.“
Anders Charles Taylor. Der kanadische Philosoph hat den Terminus „Entzauberung der Welt“ als Ausdruck akzeptiert, durch den der „Geist des Zeitalters“ der okzidentalen Moderne beschrieben werde. Zugleich hat er jedoch darauf hingewiesen, dass Entzauberung nicht Religionskritik, sondern Kritik der magischen Weltsicht bedeute. Er setzt dem Begriff der mit der Entzauberung einhergehenden desengagierten Rationalität den Begriff des vorausgreifenden Vertrauens entgegen, den der Sache nach auch John Lennon in Anspruch genommen hat. Darauf wird zurückzukommen sein.
Auch Jürgen Habermas hat den Aspekt des mit der Entzauberung der Welt einhergehenden Verlusts im Blick, beschränkt diesen aber nicht auf die Dimension des Sinns und baut auch nicht auf den Begriff des vorausgreifenden Vertrauens: „Die säkulare Moderne hat sich aus guten Gründen vom Transzendenten abgewendet, aber die Vernunft würde mit dem Verschwinden jeden Gedankens, der das in der Welt Seiende im Ganzen transzendiert, selber verkümmern.“ Konsequenterweise hat er seit der berühmten Frankfurter Friedenspreisrede zunehmend eine Übersetzung religiöser Gehalte gefordert. [...]
Lesen Sie den kompletten Artikel in der Printausgabe.
|
|
|
|
|
|
|
Anzeigen |
Mit Anzeigen und Inseraten erreichen Sie Ihre Zielgruppe. Anzeige aufgeben |
 |
|
Unsere neue Dienstleistung für Verlage, die Ihr Abogeschäft in gute Hände geben wollen.
|

mehr
Informationen
|
 |
|
Bücher & mehr |
|
|