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Stichwort
Maria Anna Zumholz
Volksfrömmigkeit
Volksfrömmigkeit als gelebte und praktizierte Frömmigkeit des Volkes steht in einem lebendigen Spannungsfeld zur institutionalisierten, offiziellen Frömmigkeit von Kirchen. Die Volksfrömmigkeit ist ein Gegenpart zur Elitenfrömmigkeit, jedoch beschränken sich die jeweiligen sozialen Trägergruppen nicht auf vor allem weibliche Laien aus niederen sozialen Ständen auf der einen und Priester sowie weltliche Akademiker auf der anderen Seite. Beispielsweise demonstrieren insbesondere die Marien- und Wallfahrtsfrömmigkeit, dass auch Angehörige des höheren und niederen Klerus, Päpste, Bischöfe, Ordensangehörige und Mitglieder des Adels und somit im landläufigen Sinne männliche, geistliche und weltliche Eliten, Anhänger dieser Frömmigkeit sein können. Daher erscheint es als sinnvoll, die Volksfrömmigkeit auf eine durch persönliche psychische Dispositionen und Sozialisation bestimmte kollektive, religiöse Mentalität zurückzuführen, die sich in emotionalen, anschaulichen Glaubensüberzeugungen und darauf abgestimmten Handlungsweisen niederschlägt. Den Gegenpart zu einer solchen gefühlsbetonten, praxisbezogenen Volksfrömmigkeit der „Vielen“ bildet eine nüchterne, rationale, aufgeklärte religiöse Mentalität der Eliten. Diese „Spannung von theologischer Rationalität und gläubiger Affektivität“ (Joseph Ratzinger) führt nicht selten zu Konflikten, denn während Eliten dem Volk unkritische Wundersucht, ungesunde Frömmigkeit und Unkenntnis der kirchlichen Lehre zur Last legen, kontert die Gegenseite mit dem Vorwurf der Anmaßung, der Ungläubigkeit und der Hyperkritik.

Volksfrömmigkeit lässt sich in unterschiedlichen Ausprägungen in allen Religionen und Konfessionen beobachten, ihre Praxis ist „stark magisch und ekstatisch geprägt“ und bezieht sich vielfach auf den „Umgang mit konkreten Gottheiten“, „wobei Amulette, Kontakt mit kraftgeladenen Gegenständen und Menschen mit dem vorrangigen Ziel eingesetzt werden, Hilfe in irdischen Sorgen und Notlagen anzubieten“. Ihre Formen wechseln im Laufe der Zeiten und sind abhängig von der Mentalität und Kultur von Völkern und ihren historischen Besonderheiten, sie bilden einen Teil individueller wie auch regionaler Identität. Da die Volksfrömmigkeit zudem wesentlich der Bewältigung des Alltags sowie kollektiver und individueller Krisen dient, können Eingriffe existentielle Verunsicherungen verbunden mit deutlicher Gegenwehr auslösen.

In der römisch-katholischen Kirche ist die Geschichte der Volksfrömmigkeit seit dem Konzil von Trient und der Aufklärung durch eine wechselweise Dominanz volksfrommer Strömungen sowie kirchlicher Formierungs- und Instrumentalisierungsbemühungen und anschließenden Reaktionen des von den Aktivitäten der Kirchenführung betroffenen Kirchenvolkes bestimmt. Den Bischöfen obliegt im Zusammenwirken mit dem Heiligen Stuhl die Aufgabe, sowohl eine ständige Kontrolle des Glaubenslebens auf seine Rechtmäßigkeit vorzunehmen, als auch den divergierenden Frömmigkeitsstilen von Volks- und Elitenfrömmigkeit gerecht zu werden, um Abspaltungstendenzen zu vermeiden. So nahmen etwa die „Deutschkatholiken“ unter dem Breslauer Kaplan Johannes Ronge in Reaktion auf die Wiederbelebung der Volksfrömmigkeit in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, sowie speziell auf die Trierer Wallfahrt zum Heiligen Rock, 1844 einen Auszug aus der katholischen Kirche vor.

Wenn vor allem Religionssoziologen und Volkskundler die im 19. Jahrhundert revitalisierte katholische Volksfrömmigkeit primär unter herrschaftssoziologischen Aspekten mit Schlagworten wie „Organisierung der Massenreligiosität“ (Michael Ebertz), „Formierung der Frömmigkeit“ (Gottfried Korff) und „Verkirchlichung der Volksreligion“ (Karl Gabriel) als angeblich herrschaftssichernde Techniken einer antimodernen, ultramontanen Kirche beschreiben, so ist dies nur in Teilen richtig. Eine Form erfolgreich verkirchlichter Volksfrömmigkeit stellte beispielweise die Förderung des Wallfahrtswesens dar, das nach der Säkularisation im Kontext der zunehmenden Spannungen zwischen der katholischen Kirche und den modernen Nationalstaaten einen ganz neuen Stellenwert erhielt: Wallfahrten konnten die ungebrochene Mobilisierungskraft und damit die Stärke der katholischen Kirche in einer bedrohten Zeit demonstrieren. Die kirchlich geförderten Wallfahrten des 19. Jahrhunderts unterschieden sich jedoch in einem für die Institution Kirche ganz wesentlichen Moment von den bekämpften Wallfahrten der Vergangenheit: Die Trierer Rockwallfahrt stand unter der Regie des Bischofs und verlief infolgedessen in kontrollierten, geordneten Formen. Die Wallfahrten der frühen Neuzeit hatten hingegen weitgehend in der Hand von Bruderschaften und damit von Laien gelegen und waren im Laufe der Zeit in vielen Fällen zu weltlichen Vergnügungen ausgeartet.

Ambivalente Wirkungen entfaltete hingegen die „Neuakzentuierung des Marienkults“, beruhend auf einer Gemengelage aus „päpstlicher Initiative, kurialer Administration, römischer Kultpraxis und Kulttradition in Ortskirchen“. Insbesondere sollten in diesem Kontext die enormen Auswirkungen der Marienerscheinungen in Lourdes 1858 nicht unterschätzt werden. Maria erschien hier persönlich einem armen, schlichten, jungen Mädchen – und damit nicht wie in den Jahrhunderten zuvor besonders heiligmäßigen oder gebildeten Menschen. Diese „Demokratisierung“ himmlischer Erscheinungen stößt bis heute auf eine zum Teil geradezu überwältigende Resonanz. [...]


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