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Leseprobe 3
Bernhard Kohl
O tempora, o mores
Führt das Phänomen der Säkularisierung zu einem Werteverfall?
Im Jahr 2006 fragte die 15. Shell Jugendstudie dezidiert nach dem Zusammenhang zwischen Religiosität von Jugendlichen und deren Wertorientierung und erfasste somit eine Generation, die sich biografisch überwiegend im Fahrwasser einer säkularen Gesellschaft bewegt. Die Ergebnisse der Studie machen deutlich, dass kirchennahe Religiosität sich ohne Zweifel werteprägend auswirkt bzw. zu einer „Überhöhung“ der heutigen, unter Jugendlichen „normalen“ Werte wie Familien-, Norm-, Gesundheits- und Sozialorientierung führt. Dennoch wird auf der anderen Seite ersichtlich, dass die Werteähnlichkeit zwischen den verschiedenen Untergruppen der religiösen, glaubensunsicheren und religionsfernen Jugendlichen sehr hoch ist. Oder umgekehrt: Auch die kirchennah religiösen Jugendlichen teilen die meisten Werte des jugendlichen Mainstreams. „Besonders auffällig ist, dass sie sich insbesondere in den für Jugendliche typischen hedonistischen und materiellen Werten nicht von der jugendlichen Wertekultur unterscheiden.“ Zur Quelle der Werte von Jugendlichen lässt sich nach der Shell Jugendstudie sagen, dass viele Werte, die von Jugendlichen vertreten werden, aus einer ursprünglich religiösen Tradition stammen oder durch Religion besonders gestützt werden. „Die heutige Distanz vieler Jugendlicher zur Religion führt jedoch nicht dazu, dass sie diese Werte aufgeben.“

Der Shell Jugendstudie zufolge kann man also weniger einen Werteverlust durch Säkularisierung als einen Wertewandel hin zu postmaterialistischen Werten konstatieren, dessen Ursachen und Folgen unklar sind.

Säkularisierung als Bedrohung der Werte?

Hans Joas behandelt in seinem 2012 erschienen Band „Glaube als Option“ genau diese Fragestellung, ob Säkularisierung zum Moralverfall führt. Dabei geht er von der Grundannahme aus, „dass der historische Augenblick, in dem wir uns befinden und über Religionsfragen streiten, vom Tod zweier scheinbarer Gewissheiten bestimmt ist“: Zunächst ist dies die Gewissheit des Zusammenhangs von Modernisierungs- und Säkularisierunsgrad einer Gesellschaft. Darüber hinaus aber eben auch die hier relevante Gewissheit, dass die Säkularisierung eine Gefahr für Moral und Frieden einer Gesellschaft darstelle. Joas konstatiert, dass in unserer Epoche zum ersten Mal die empirische Überprüfung säkularisierter Gesellschaften möglich wird – wobei kein Moralverfall zu beobachten ist.

„Die kausalen Erklärungen für moralische Missstände scheinen auf den ersten Blick weder positiv noch negativ im Bereich der Religion zu liegen“, weswegen auch die Frage nach einem bestehenden Zusammenhang zwischen Säkularisierung und Moralverfall zu negieren ist. Um diese Antwort zu untermauern fragt Joas in drei Schritten nach dem Zusammenhang von Moral und Religion und mündet in einer These von den zwei Ursprüngen normativer Regulation und der Kennzeichnung einer durch die Säkularisierung verursachten Gefahrenstelle für eine gesellschaftliche Moral: Hiernach ist festzuhalten, dass sich ein Moralverfall durch Säkularisierung nicht nachweisen lässt. Dies kann an fortwirkenden religiösen Imaginären innerhalb einer Gesellschaft und gleichzeitig an der Einsicht der Individuen in den Wert von Gerechtigkeit und anderen Werten selbst liegen. Werte können sich also durchaus auch in einer „gottlosen Gesellschaft“ ausbilden und als stabil erweisen. Die Gefahr, die sich nach Joas aus der Säkularisierung für das Wertbild einer Gesellschaft ergibt, liegt indes auf einer anderen Ebene: Säkularisierung zerstört nicht die Moral an sich, führt vermutlich aber durch Transzendenzverlust zu einer Schwächung des rechtlichen und moralischen Universalismus, was ungeahnte Folgen bspw. für einen Diskurs über die universale Geltung der Menschenrechte haben kann.

Säkularisierung als Bedrohung der Werte!

Natürlich bleibt die These von Hans Joas nicht unumstritten. Eine klare Gegenposition bezieht bspw. der Bonner Politikwissenschaftler und Publizist Andreas Püttmann. Er kritisiert an einer kontraktualistischen bzw. pragmatischen Moral neben ihrer Utilität „den Makel, das Gutsein vom Handeln der anderen abhängig zu machen und sich in unübersichtlichen Verhältnissen häufig über den allgemeinen Willen zum Guten zu täuschen“. Den einzigen Ausweg sieht Püttmann deswegen im Glauben an einen sittlichen Ausgleich im Jenseits, im universalen Menschenbild der Religion, das auch dem Bösen eine Erlösungsperspektive verleiht – um den Preis, dass die Bedingungen einer Erlösungsperspektive akzeptiert werden müssen. Ein weiterer Kritikpunkt bezieht sich darauf, dass Hans Joas seinem selbst gesetzten soziologisch-empirischen Anspruch nicht gerecht werde und sich stattdessen in der sozialphilosophischen Theorie verliere, womit er sich auf „dünnem Eis“ bewege. [...]


Lesen Sie den kompletten Artikel in der Printausgabe.

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